Behinderung

Es gibt Menschen, die behindern sich selbst. Oder sie werden behindert, im Namen der „Schönheit“ etwa. Das fängt schon ganz klein an! Da gehe ich zum Beispiel an einem Kinderspielplatz Nähe Karl-Marx-Straße vorbei, alle Geräte fest in türkisch-arabischer Hand, muntere Maistimmung, Omma und Mamma hängen an der Wasserpfeife und alle Jungs zwischen drei und dreißig kicken irgendwelche Bälle in alle Richtungen, da stolpern mir zwei Gören entgegen: Leider können sie nur stolpern, obwohl sie so eine Art Fangspiel spielen, aber ihre Füße stecken in herzallerliebsten goldenen Treterchen, unpraktisch, sicher unbequem, aber vom Aussehen durchaus geeignet für den nächsten Opernball. Die Armen! Da fragt sich die staunende Landpomeranze doch, ob diese kleinen Mädchen ihre Mütter (oder Väter?) beim Einkauf dermaßen bekniet haben, bis sie die Glitzerdinger bekamen, oder ob die Mütter (ähm – Väter?) es wunderhübsch finden, wenn ihre ansonsten keineswegs zierlichen Töchter ihre zarten Füßchen auf diese Weise schmücken. Ich finde es jedenfalls beunruhigend. Denn wirklich laufen können sie nicht damit! Gequälte Frauenfüße im alten China fallen mir ein.
Beim Weitergehen fällt mein Blick auf eine Frau, die mit ihren bängstigend hohen Stöckelschuhen kaum den Weg über die Neuköllner Pflastersteine überlebt. Wahnsinn. Ich halte etwas Abstand, damit ich sie nicht auffangen muss, wenn sie umkippt, das wäre mir doch etwas unangenehm. Warum tut die sich sowas an? Ihre Haare sind ebenfalls hoch, aufgetürmt und blondiert. Na ja, wir sind eben in Neukölln. Ihr Gang jedenfalls scheint zwei Dinge zu signalisieren: Fortpflanzungsdrang und Anlehnungsbedürfnis. Anlehnung schon aus rein praktischen Gründen.
Dumm nur, dass sie so um die sechzig ist und das mit der Fortpflanzung wohl nicht mehr so hinhauen wird …

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