Archiv für Juni 2007

Zum Geier, Wally!

Freitag, 15. Juni 2007

Es gibt so diese ganz gewisse abgrundtiefe Freitagsmüdigkeit; diese Müdigkeit ist es, die mich manchmal in fremde Welten absinken lässt: Zum Beispiel vor die Glotze, Geierwally kucken.
Ich weiß, ich müsste mich jetzt verschämt errötend einem anspruchsvolleren Thema zuwenden, etwa der Analyse des Verhaltens einer verstockten Bauerntochter oder einer verlogenen Magd oder der Frage, warum der olle Papa so grantig ist und der Nachbarsbauer so schön leiden kann … mach ich aber nicht. So ein Film braucht einfach Liebe und Wut und Natur und ein Adlerbaby und ein Kind mit Rehaugen und eine widerliche, verlogene Magd und ein anständiges Happy-End. Mehr will ich nicht. Keine Analyse. Keine geknickte Selbstkritik, dass ich doch was Besseres hätte sehen oder tun können.

Nö. Ich stehe dazu: Es hat mir gefallen!

(Und du willst es doch auch, gibs zu!)

Zum Schwimmen an die Krumme Lanke?

Dienstag, 12. Juni 2007

Man hat hier in Berlin ja eine ziemliche Auswahl, wenn man sich im Wasser erfrischen will. Möchte ich mich in den Müggelsee stürzen, etwas mehr Ostflair und die Reste des alten Strandbads um mich herum? Vielleicht. Mal. Oder ich schnappe mir unter der Woche mein Handtuch und einen Badeanzug (keine Pflicht), nehme die U-Bahn bis Krumme Lanke und gehe zur Krummen Lanke. So heißt einer der Seen dort – der Schlachtensee gleich gegenüber ist auch nicht übel, vielleicht aber mit weniger Bademöglichkeiten.
Und da am See liegt dann die Berliner Bevölkerung glücklich und zufrieden in der Sonne. Jugendliche kreischen um ein Schlauchboot, aber es hält sich in Grenzen. Bekleidungs- oder sonstige Regeln gibt es nicht, sodass das nackte Tantchen neben dem gestylten Jugendlichen auf der Liegewiese dahinschmilzt. Alle sind zufrieden. Schade für meine lieben Schüler, denke ich; denn die meisten von ihnen grauen sich vor den nackten und halbnackten Leibern. Tja, so ist das nun mal hierzulande! (Heute habe ich echt gegrübelt, wo in Berlin ich sie hinschicken könnte zum Baden.)
Was mir gefällt: Etwas abseits vom Trubel eine der vielen kleinen Buchten ergattern und den See (fast) ganz für mich haben: Eine spiegelglatte Wasseroberfläche, heute noch die Haubentaucherfamilie mit Küken dabei. In der Ferne die Rufe der badenden Massen. Ansonsten Wald ringsherum und Stille. Nicht extreme Erfrischung, da das Wasser warm ist. Aber schön.

Ich persönlich finde schwimmen im See schöner als im Meer oder im Schwimmbad! Vor allem, wenn der See in einem Wald liegt.

Tony 10 – Über Anstand und Sitte

Samstag, 09. Juni 2007

Tach Leute, musste doch mal wieder reinschaun, Franziska nervt schon seit ein paar Tagen … aber viel ist nicht los im heißen Berlin! Und G8 ist ja jetzt auch erledigt. Aber gestern in der S-Bahn wieder, ich sags euch! Alles hing verschwitzt in den Seilen, nur der eine Typ in seiner dicken Cordjacke dachte nicht ans Entblättern. Nö, er schlurfte seinen heißen Kaffee und war einfach nur dick eingepackt. Aufrecht und zufrieden. Daneben saß eine Omma, die wohl gerade einkaufen war: Jedenfalls zog sie raschelnd und knisternd eine Tüte vom Metzger aus der Tasche, machte das Wurstpäckchen auf, beäugte gierig ihre Lyoner und stopfte sich dann eine fette Scheibe in den Mund. Zur Hälfte. Als dann (ganz überraschend?) ihre Haltestelle kam, ließ sie die andere Hälfte aus dem Mund hängen, packte den Rest wieder weg und stürzte so raus. Leute gibts, sage ich euch … Der Gipfel war die etwa 35-Jährige mir schräg gegenüber. Trug einen Rock, der doch etliche Meter oberhalb des Knies schon beendet war, hockte sich aber hin, als wäre sie zu Hause in ihrer Schlabberjogginghose: Breitbeinig. Sehr breitbeinig. Ich frage euch: Muss das denn sein? Hat ihre Mutter vergessen ihr zu sagen, dass man sich mit einem Rock nicht soo hinsetzen darf? Ich fand das anstrengend. Schließlich muss mal dann immer krampfhaft irgendwo anders hinsehen; aus dem Fenster; ins Buch; auf ihre Beine. Verdammt! Auf die Weise stehe ich nicht auf Damenunterwäsche, ich finde sowas widerlich. Eine ältere Frau konnte ich beobachten, die wie gebannt auf die jüngere starrte; den Blick hob; wieder senkte. Sie schien protestieren zu wollen gegen so viel Anstandslosigkeit! Vielleicht bereitet es der Jungen ja ihre ganz spezielle perverse Freude, ihre Menschen auf diese Weise zu irritieren.
Ich sags euch … Schluss war dann, als eine dünne Stimme anfing, den ganzen Wagen zu übertönen. Erst dachte ich, da telefoniert jemand, oder die unterhalten sich laut, bis die Worte langsam an mein Ohr drangen. Eine hohe Jammerstimme: Bloß ein paar Cent, bitte bitte, ich hab solchen Hunger, ein bisschen Geld, ich bitte Sie, biiiittee! Immer wieder. Herzzerreißend. All meine wunderlichen Mitfahrer hörten mit einem Schlag auf, wunderlich zu sein. Der eine zog hastig die dicke Jacke aus. Die ältere Frau entspannte sich und wandte den Blick zum Fenster. Und die Junge verschloss endlich auf sittsame Weise die Abgründe unter ihrem Rock, als hätt es geklingelt; ohne dass ich noch einmal die Chance hatte herauszufinden, ob sie überhaupt Unterwäsche trug … Nur dem Bettler spenden wollte niemand.

Als ich dann ausstieg, war der kein uralter Greis nahe am Hungertod, sondern ein junger Mann, recht fesch und mit Pferdeschwanz. Nicht so richtig überzeugend, ehrlich gesagt.

Mini-Krimi: Mit Mephisto unter einer Decke

Donnerstag, 07. Juni 2007

Im Grunde war es ganz einfach – es kam nur auf die richtige Mischung an! Abends ein kleines Tröpfchen in den Abendtee. Morgens eine Prise unter den Kaffee gemischt … das musste doch einfach funktionieren. Dachte er. Denn mit anderen Mitteln würde er wohl nie aus dieser Zweisamkeit herauskommen; eine Gemeinschaft, die mehr war als eine Wohngemeinschaft: Eine Fessel! Anfangs hatte ihm sein lieber Professor angeboten, ein Weilchen bei ihm zu wohnen, das war sicher nett gewesen. Und da es in jener verträumten kleinen Universitätsstadt sehr schwierig war, eine angemessene Wohnstatt zu finden, hatte er gerne angenommen. Aber aus dem gemeinsamen Wohnen war mehr geworden. Zuerst eine zurückhaltende Männerfreundschaft, bei der nicht zu viel gesprochen wurde. Ein gemeinsames Bierchen am Abend, vielleicht ein Spaziergang am Sonntag. Doch dann fühlte er langsam, wie sich die Zuneigung des Lehrers wie Schlingen um ihn legten. Es konnte geschehen, dass er nachts aufwachte, aber nicht die Augen öffnete aus Angst, den anderen zu sehen: Am Bett stehend, ihn anstarrend. Er glaubte dessen Atemzüge zu hören. Was würde der machen, wenn er tief schlief?
Die Seltsamkeiten nahmen zu. Seine Zahnbürste fühlte sich plötzlich fremd an, als hätte sie jemand benutzt. Ihm wurde übel bei dem Gedanken. Die Papiere in seiner Schreibtischschublade wirkten umgeordnet, ohne dass er eine konkrete Veränderung benennen konnte. Und seine Wäsche schien über Nacht die Fächer zu wechseln.
Auszug? Niemals. Mit der Zeit war die Gemeinsamkeit so innig, dass daran nicht zu denken war. Einmal hatte er dem Alten gegenüber angedeutet, dass es da eine gewisse junge Frau gäbe und man womöglich zusammenziehen wollte. Er hatte dabei ganz vage und unbestimmt gesprochen, nur vorfühlen wollen! Wenige Tage später war seine Angebetete abends auf dem Heimweg von einem Unbekannten überfallen worden. Man fand ihre Leiche erst am nächsten Morgen, nicht weit von ihrem Wohnhaus. Erwürgt.
Danach war er vorsichtig geworden. Nur noch geheime Liebschaften ohne Zukunftspläne. Er wusste, dass der andere ihn in der Hand hatte. Der hätte seine Karrierepläne in Sekundenschnelle zerstört. Er wusste, er war ein Nichts ohne ihn. Und doch war nun der Punkt erreicht, da er es nicht mehr ertragen konnte.

Das Mittel wirkte sanft. Ein schläfrig-träumerisches Gefühl setzte ein, dessen sich der Vergiftete gar nicht bewusst war. Nun war der Junge es, der sich nachts in die Nähe des Alten schlich und ihm Dinge einredete, die nicht sein durften. Er konnte sehen, dass der andere nichts merkte, nichts verstand. Tag für Tag wurde die Stimme deutlicher und der Auftrag dringlicher: Finde sie. Finde die Eine, die dich lieben wird. Du bist jung, du bist klug!
Und der Alte zog los und sprach ein junges Mädchen an. Wie leicht es giing! Sicher war sie auch geschmeichelt, da sie der Herr Professor eines Blickes würdigte. Er genoss es, den Alten in seiner plötzlichen Verliebtheit zu sehen. Es ging fast zu glatt. Sie gab dem Alten nach. Sie wurde schwanger.

An diesem Punkt verlassen wir Herrn G aus W.. Er sitzt zurzeit in Untersuchungshaft; wurde festgenommen wegen Verdachts auf Vergiftung, eine junge Frau aus dem Ort hatte ihn angezeigt. Diese lebt jetzt mit einem angesehenen Universitätsprofessor in dessen Villa und erwartet ihr zweites Kind. Nachbarn sagen, dass das ungleiche Paar eine sehr glückliche Ehe führt und die junge Frau nur durch das seltsame Verhalten des ehemaligen Studenten ihres Mannes auf das Gift aufmerksam wurde. Ihr Mann sei wohlauf, heißt es.
Herr G. verbringt seine Tage meisten damit, auf die Gefängniswand einzureden. Aber keiner beachtet ihn sonderlich.

Warum ich Krimis lese

Mittwoch, 06. Juni 2007

Eigentlich ist das Leben selbst ein Krimi – nur die ordentliche Auflösung ist nicht immer gewährleistet. Heute zum Beispiel bin ich mit der U-Bahn nach Neukölln zurückgefahren; es war gegen halb zehn, die üblichen Pendler saßen also schon brav vor der Glotze. Und die Leute um mich herum ergaben eine so beunruhigende Mischung, dass man die Spannungen fast mit dem Messer hätte schneiden können: Der Typ mit dem wirren Blick und den struppigen Haaren, der sich mit bösartigem Schwung auf seine Bank schmiss und sich dabei auf seinen Fuß setzte, was seine feste Gewohnheit zu sein schien. Die junge Mutter, blass und gereizt, die ihr Kind zu beruhigen versuchte, das nicht nur schrie, sondern so aus Leibeskräften kreischte und sich dabei aufbäumte, dass mir ein Krimi einfiel, bei dem eine Mutter ihr gehörloses Kind umbringt, weil sie dessen Gekreische nicht mehr ertragen kann … Nicht dass mich Mordgedanken plagten, nö, ich versetzte mich nur in die Mutter. Ein anderer Typ zerknitterte lautstark Blechdosen, die er dann in einen Einkaufswagen stopfte; er selbst ganz zerknittert und zerknautscht. Fürchterliche Geräusche machte der.
Was ich sagen will: Wenn man die geballte Spannung hier in Berlin in sich aufnehmen wollte, würde man wohl verrückt werden. Meine Methode, damit klarzukommen: Ich lese. Das heißt, ich entschwinde. Zurzeit ist es einer jener Tibetkrimis, die einem Einblick verschaffen in eine völlig andere Welt. Die einen wütend machen über die chinesische Besatzung, über die Kontrolle, die fiesen und brutalen Methoden der Besatzer. Gleichzeitig bekommt man Respekt vor einer Quelle oder einem Blümchen und freut sich mit einem alten Mönch, der nach Jahrzehnten im Gefangenenlager diese kleinen Dinge genießen kann.
Mein Problem: Ab und zu lässt die Spannung nach und ich lasse mich von meinen Mitfahrern zu sehr ablenken. Minuspunkt.
Ich habe schon erlebt, dass ein Krimi so spannend war, dass ich meine tägliche Aussteigestation verpasst habe! Das ist der Hammer und bekommt zehn Pluspunkte. Was ich liebe: Die richtige Mischung aus Witz (Frechheit), Spannung (Ja, ich will Blut sehen!) und Gefühl. Ein bisschen Lokalkolorit schadet nichts, ob das nun die Straßen von London sind oder die Schwäbische Alb. Außerdem will ich Überraschungen. Ich will sagen können: Mensch, das hätte ich jetzt nicht erwartet! Denn allzu oft ahne ich schon, worauf die Geschichte hinausläuft, und wenn die Helden dann auch noch tun, was ich ihnen eingeflüstert habe, bin ich enttäuscht.

Außerdem will ich einen ordentlichen Schluss. Aufklärung bis ins Detail, meinetwegen mit dem Verweis „Drei Monate später“, so poplig das klingt. Ich hasse es, wenn auf der letzten Seite die Heldin, die glorreich alle wirren Mordmotive und -methoden herausgefunden hat, nun gefesselt auf dem Bett der geisteskranken Mörderin liegt und wahrscheinlich nie gefunden wird, weil alle mausetot sind und nichts mehr sagen können. Blöd, sowas! Ich will Ent-Spannung am Schluss; ich will mich zurücklehnen und dem Autor/der Autorin dankbare Gedanken schicken, dass er/sie mir diese kompletten Erklärungen geliefert hat. So muss das sein.

Und warum lese ich nun Krimis? Weil keine andere Geschichte mich so gut packen und entführen kann. In keinem sogenannten „Fantasy-Abenteuer“ bin ich so weit weg wie in einem guten Krimi, in dem es Angst gibt, Wut, Liebe vielleicht, Probleme, Fragen und Antworten. Gerade die realistische Darstellung der Handlung hat was Mitreißendes, Überzeugendes, mehr als abgehobene Zauberergeschichten mit Drachen und Wichteln. Da soll einfach ein grummeliger Kommissar oder eine schrille Hobbymörderin mit Vaterkomplex sein, und schon bin ich zufrieden.

Und während ich unterwegs in der S-Bahn meinen Krimi lese, verwandelt sich die Welt selbst in einen. Wie oft schon habe ich einem potenziellen Mörder gegenüber gesessen! Warnung an alle Nicht-Krimileser: Ich weiß es nun, nur die Wachsamen haben eine Chance zu überleben. Jawollja!

(Das waren übrigens meine Gedanken zu einem Krimi-Blog-Karussel.)

Sprachberatung: Bangladeschi oder Bangladescher?

Dienstag, 05. Juni 2007

Ich habe eine ganz reizende neue Klasse: Fünf Studenten aus Bangladesh hängen jetzt an meinen Lippen! Wobei bald die heikle Frage aufkam, was sie nun eigentlich sind. Tja, ich konnte ihnen schnell helfen: Bangladescher. Dann stellte Antu die Frage nach der Sprache. Und ich habe mich prompt vertan – das muss ich ihnen morgen noch sagen. Bengalesisch? Ups, nein, das ist eigentlich nur ein Adjektiv für ein Feuer! Die Sprache aber ist, wenn wir nach dem Duden gehen, das Bangali, analog zu Hindi. Wieder was gelernt.
Mit in der Klasse ist übrigens auch eine Chinesin aus Peking (Beijing), eine Pekingerin, keine Pekinesin. Obwohl sie durchaus eine Schwäche für kleine Hunde und Katzen hat, wir haben uns schon süße Fotos angesehen. Aber das ist ein anderes Thema. Ihre Freundin aus Taiwan ist eine Taiwanerin, keine Taiwanesin. Und Pakistaner und Iraker wie auch Sri Lanker haben kein „i“ am Ende, wie wir das von amerikanischen Fernsehreportagen vielleicht gewohnt sind. Nur der Israeli darf ein solcher sein.
Man lernt eben nie aus. Ich habe mir jetzt auch endlich auf der Weltkarte angesehen, wo Bangladesch überhaupt liegt!