Pollenflug

Donnerstag, 16. Januar 2020 17:39

Ich niese und leide und denke: Ja, der Winter … Aber nein! Es ist die wundersame Wärme draußen und die Sonne dazu! Vogelgezwitscher und alles andere als Januargefühle: Sie fliegen schon, die bösen Pollen, Hasel und Erle suchen mich heim und ich sehne mich nach grimmigen Schneeflocken. Obwohl. Schön es es ja schon …

Buuumaaa!

Sonntag, 12. Januar 2020 19:52

Boomer sind bösartige Wesen, die junge Menschen ausbeuten, aussaugen, die daran schuld sind, dass junge Menschen in zwanzig Jahren nichts mehr zu essen haben. Denn dann sitzen die ganzen Boomer nur noch träge in ihren Sesseln und Heimen rum und wollen bedient werden. Unzählige werden es sein!

Ja, ich gebe es zu, ich bin eine von denen – genau wie all meine Freundinnen und Freunde, meine Brüder … so war es schon immer. Eingeschult mit 46 anderen Kindern, in einer Klasse wohlgemerkt, mussten wir schon immer mehr kämpfen als andere Generationen. An der Uni gab es nicht genug Platz, bei Bewerbungen mussten Ellenbogen und Messer eingesetzt werden – sind Firmen heutzutage nicht heilfroh über jeden halbwegs intelligenten jungen Menschen, der noch bereit ist, sich auf ihre Spielchen einzulassen?

Und was schließen wir daraus? Dass junge Menschen durchaus unser Mitgefühl verdienen. Denn die Boomer sind überall. Und sie haben gelernt zu überleben. Wenn die Jugend am Freitag für die Zukunft demonstrieren, sollten wir nicht altersweise sagen, klar, haben wir auch gemacht, damals in den Achtzigern. So was kommt nicht gut an. Wenn sie uns ein grimmiges Buuumaaa entgegenschreien, dann sollten wir betrübt nicken und sagen: Ihr habt ja recht.

Hundeangst

Montag, 30. Dezember 2019 19:56

Wenn die Dämmerung kommt im Wald. Und die Böller sich für Silvester probeböllernd lautstark in der Ferne entladen. Dann läuft der Hund alleine los, die Angst greift nach ihm und er läuft schneller und schneller, auch wenn Herrchen ruft, das ist dann auch egal. Bloß weg. Außerdem ist es kalt und Hundchen möchte nach Hause. Was er dann auch schafft. Nur Herrchen ist nicht erfreut nach stundenlanger Suche.

Ich habe Wei Ling Yi persönlich gesehen

Mittwoch, 19. Juni 2019 11:48

oder auch

Ein Heiliger kommt nach Metzingen

Qi Gong ist eine wunderbare Sache. Durch spezielle Bewegungen kommt mein Qi, meine inneren Energieströme, ins Fließen und ich werde gesund. Oder zumindest etwas gesünder. Oder besser.

Das lehrt mich mein Volkshochschul-Qi-Gong-Kurs jede Woche und es tut gut. Deshalb hat mich die Begeisterung meiner Lehrerin sofort mitgerissen, als sie erzählte, ihr Meister, ein Großmeister aus China, würde tatsächlich nach Metzingen kommen!

Nach einigem Zögern (36 Euro sind keine Kleinigkeit) beschloss ich, an dem Seminar teilzunehmen. Seminar klingt ja schon ein bisschen nach Erleuchtung und von elf bis vier kann man einiges erwarten. Die Wissenschaft, zu der ich mehr erfahren wollte, heißt übrigens Yi Xue – Yi steht für Eins, Einheit, Ganzheit und Xue ist die Wissenschaft.

Der Pavillon der Musikschule war gut gefüllt und ich setzte mich möglichst weit vorne hin. Man will ja was sehen. Und hören. Ich erhoffte mir Inspiration geistiger und körperlicher Art – ein paar Übungen direkt vom Meister gezeigt hätten mir gut getan. Aber auch das vierstündige Sitzen brachte natürlich Einsichten. Außerdem konnte ich mein chinesisches Hörverstehen etwas auffrischen.

Zunächst erhöhte sich die Spannung, bis der Meister endlich in den Raum trat. Wir wurden aufgefordert zu klatschen – ich war sofort bereit für einen frenetischen Applaus, aber nein – es wurde einheitlich geklatscht- alle zusammen im selben Rhythmus. Daraufhin erschien er strahlend.

Vorne im Raum war ein altarähnlicher Tisch aufgebaut. Mit Kerzen, weißem Tischtuch und Lotusblüten aus Plastik zur Veranschaulichung unseres inneren Lotus. Das ist so ähnlich wie unsere Seele.

Und der Vortrag begann. Ich lernte, dass der Meister ein Heiliger ist und wir alle danach streben sollten, Heilige zu werden. Ich erfuhr, dass auch mein Hund danach strebt, eine höhere Ebene zu erreichen, mindestens die Menschenebene. Er zieht deshalb Energie von uns ab und man sollte seinen Hund nicht mit ins Bett nehmen. Ich lernte auch, dass unsere Krankheiten unsere eigene Schuld sind und wir einem ärztlichen Attest nicht glauben sollten. Eine positive Einstellung uns selbst gegenüber, die richtigen Übungen und Sprüche – und schon sind wir geheilt. Auch Wei Ling Yi kann uns aus der Entfernung heilen – wir müssen uns aber auf ihn einlassen und sein Angebot annehmen. Gegen Alterserscheinungen hilft der Spruch: Bu lao – ich bin nicht alt! Es war beeindruckend. Ich fühlte mich blitzschnell verjüngt, zumal das duchschnittliche Alter der Anwesenden weit über meinem lag. Das hilft immer.

Nach zwei unterhaltsamen Stunden, in denen der Meister köstliche Schauspieleinlagen gab – er als Kranker, Alter – plötzlich geheilt und jung – wurde noch eine alte Frau auf die Bühne gebeten. Sie erzählte begeistert, wie sie zu Wei Ling Yi und seiner Lotusgruppe gezogen war und ihr Haus und ihr Sparbuch losgelassen habe … Sie wirkte sehr glücklich. Und erzählt das auch auf anderen Seminaren in den USA und China.

Dann kam der Höhepunkt der Veranstaltung. Das Buffet. Danke an all die fleißigen Frauen, die gekocht und vor allem gebacken haben, um uns in der Mittagspause zu stärken! Das Spendenkässchen neben den Speisen galt dem Aufbau des neuen Lotuszentrums im Osten. Eine Chance, den Meister vielleicht unter vier Augen etwas (auf Chinesisch) zu fragen, gab es auch in der Pause nicht. Schade irgendwie.

Am Nachmittag sahen wir ihn auch nicht mehr. Seine Gefährtin erzählte uns in ähnlicher Manier ähnlich wichtige Dinge, bis wir kurz vor vier das Lied „Bu Lao“ noch einmal singen durften.

Immerhin gab es ganz zum Schluss ein paar Dehnungsübungen unter Anleitung einer hiesigen Qi-Gong-Lehrerin, was mir half, das stundenlange Sitzen gut zu überwinden, negative Energien abzuleiten und kosmische Strömungen aufzunehmen. Wir erfuhren noch schnell etwas über das Mutter-Erde-Festival in Berlin Ende August, dann mussten wir uns trennen. Unter einheitlichem Klatschen wurde dann auch die Heilige verabschiedet und wir gingen nach Hause. Oder ins Outlet.

Von Ute Lehr und anderen dubiosen Scheingestalten

Montag, 07. Januar 2019 18:26

Es gibt Kettenbriefe, die nerven nur. Unpersönlich gemacht, aber persönlich verschickt an Weihnachten, Valentinstag und ähnlichen Anlässen. So spart sich der Versender schon die Arbeit, sich eigene Gedanken zu machen, und bildet sich trotzdem ein, etwas Edles, Süßes, Originelles oder Tolles verschickt zu haben. Nicht nett.

Und dann gibt es die bösen Kettenbriefe. Manche transportieren sogar einen Virus. Manche bringen „nur“ Verunsicherung und Angst. Hüte dich vor Ute Lehr! Pass auf! Dein Adressbuch wird zerfressen und zerstört und zerhackt! Dass das alles technisch nicht möglich ist, interessiert nicht. Die Warnungen werden weitergeleitet und verbreitet und vervielfacht, weil sich so viele Menschen keine Gedanken machen. Es ist ja auch so einfach – klick und weiter. Schon hat es die gute Freundin, die man ja so gerne warnen möchte. Und schon ist wieder ein bisschen Angst und Verwirrung und Unmut mehr in dieser Welt. Muss das denn sein? Könntet ihr bitte alle erst einmal nachdenken, bevor ihr einen Kettenbrief, der ja leicht zu erkennen ist, weiterleitet?

Die Menschen, die sich am Anfang solche Texte ausgedacht haben, hatten Lust darauf, die Welt in Angst und Schrecken zu versetzen. Sie fühlen sich mächtig über Millionen, wenn sie sich ausmalen, wie oft ihr Text weitergegeben werden kann. Dafür muss der Text natürlich schön fies sein und am besten mit üblen Konsequenzen drohen, sollte die Warnung ignoriert werden. Wenn dann jeder, der einen Kettenbrief erhält, nur drei wieder verschickt … Nicht auszudenken. Wann ist die Welt dann komplett zugemüllt, verängstigt, in Panik? Eine Frage an schlaue Mathematiker und Psychologen.

Gut, dass es noch Leute gibt, die solche Nachrichten einfach löschen und die Versender darauf hinweisen: Bitte keine Kettenbriefe weiterleiten!

Ein ganz normaler Tag in Metzingen

Dienstag, 16. Oktober 2018 19:47

5.30 Uhr. Sein Wecker klingelt. Es ist dunkel und kalt. Er hat absolut keine Lust aufzustehen. Aber es muss sein.

6.30 Uhr. Ihr Wecker klingelt. Sie dreht sich nochmal ganz kurz auf die andere Seite, nur zehn Minuten. Muss sein.

Um die Zeit fängt er schon an zu arbeiten.  Er schaltet einen Ofen ein, setzt sich an seinen Arbeitsplatz und nimmt das nächste Teil in die Hand. Eigentlich müsste das schon längst fertig sein, der Kunde wartet.

Um halb acht sieht sie dem Hund auf der Streuobstwiese zu. Die Sonne steht schon überm Florian.

Seine Kollegen trudeln ein. Viele grußlos. Eine flucht. Es wird lauter. Geräte und Radios werden eingeschaltet.

Sie frühstückt noch und hört dabei auch Radio, bevor sie sich so um acht auf den Weg macht. Sieben Minuten mit dem Fahrrad – da ist noch genug Zeit für ein paar Kopien. Halb neun steht sie vor der Klasse.

9.00 Uhr. Bei ihm im Labor ist es inzwischen richtig laut geworden. Geräte rotieren, verschiedene Radios dudeln. Durch die Öfen ist es heiß, Chemikalien stinken, gesund ist das nicht. Ein Kittel soll gegen gefährliche Spritzer helfen. Sauber ist es auch nicht.

Sie verteilt derweil Papierstreifen mit kleinen Texten, die die Teilnehmer zu Dialogen ordnen müssen. Sie haben viel Spaß dabei. Auch kroatische, italienische und rumänische Wortfetzen fliegen durchs Klassenzimmer. Das ist okay. Die meisten sind zwischen zwanzig und dreißig und voller Hoffnung.

Um zehn macht die Klasse Pause. Alle freuen sich über Kaffee, einen Apfel oder eine schwäbische Bretzel … Eine junge Syrerin hat gebacken und bietet gefüllte Pfannkuchen an.

Er poliert um zehn ein Werkzeug an der Schleifmaschine. Kleine Metallspäne fliegen durch die Luft. Zwischendurch beißt er kurz von seinem Brot ab.

Elf Uhr. Sie zeigt Bilder von regionalen Spezialitäten auf einer Deutschlandkarte. Die Teilnehmer lernen etwas über Spätzle und Maultaschen und erzählen lautstark von Ravioli, Pelmeni und Manti. Dann hören sie eine Hörübung von der CD und kreuzen Antworten auf einem Blatt an. Vorbereitung für die nächste Prüfung. Jetzt sind alle ganz still.

Er versucht an einer bestimmten Sache zu bleiben. Unmöglich  –  ein Anruf kommt, das benötigte Teil ist noch nicht fertig. Der Druck wird größer.

Viertel vor zwölf. Die Klasse geht nach Hause, Hausaufgaben müssen sie natürlich auch noch machen. Heute: Eine Reklamation schreiben. Sehr geehrte Damen und Herren, ich habe bei Ihnen …

Bei ihm im Labor klingelt schon wieder das Telefon, eine unfreundliche Reklamation. Dabei hat er mit diesem Fehler nichts zu tun!

Sie füllt ihre Listen aus, legt eine Entschuldigung ins Fach und zieht noch schnell eine Kopie für den nächsten Tag. Es ist zwölf. Schnell nach Hause. Mittagessen machen.

Viertel nach zwölf ist auch er zu Hause. Um halb wird gegessen. Beide sind müde.

Er muss dann wieder los. Einige Kollegen sind jetzt schon weg – es wird etwas ruhiger im Labor.

Sie darf jetzt verschnaufen und freut sich auf den Krimi aus Schweden. Der Hund freut sich über ihre Gesellschaft.

15.00 Uhr. Er überprüft zwischen zwei anspruchsvollen Arbeiten das Material und bestellt etwas nach. Die Luft ist schlecht.

Sie genießt um halb vier die Luft draußen bei den Obstwiesen. Hund zufrieden. Frauchen zufrieden. Auf einer Bank denkt sie über ein Problem mit den Relativsätzen nach.

Er fährt um vier eine Arbeit aus. Der Kunde wartet schon ungeduldig.

Sie sitzt um fünf schon wieder am Computer und bastelt ein Quiz für Relativsätze. Wie heißt die Frau, die Kanzlerin in Deutschland ist? Sie wird am nächsten Tag Teams bilden. Gewinnen wollen sie immer.

Um sechs geht es für sie noch einmal los. Ein Abendkurs mit munteren Albanern und Kroaten. Eine junge Frau von den Philippinen ist auch dabei. Jeder muss heute mit einer Aufgabe durchs Klassenzimmer laufen und die Antwort bei anderen Teilnehmern finden. Es wird viel gelacht und sie vergessen ihre Müdigkeit.

Im Labor sind nur noch wenige. Aber eine wichtige Sache liegt noch auf dem Tisch. Eine schwierige Arbeit, die Können und Konzentration erfordert. Wenn ein kleiner Fehler passiert, muss man den ganzen Prozess wiederholen. Hier wird nicht gelacht.

Um neun kommt sie nach Hause, zufrieden mit ihrem Tag. Die Stimmen der Lerner hallen noch eine Weile nach. Sie versinkt auf dem Sofa und freut sich über Doctor Who im Fernsehen. Wieder einmal muss er die Daleks besiegen. Der Hund lässt sich mit einem kleinen Seufzer neben ihr nieder.

Er kommt dann auch nach Hause. Von den Daleks bekommt er nicht viel mit. Noch ein paar Mails checken. Er kann vor Müdigkeit kaum die Schrift erkennen.

Ihr fällt um halb elf noch eine geniale Übung ein. Das wird den Leuten morgen gefallen! Noch mal schnell Computer und Drucker anschalten …

Da schläft er schon längst tief und erschöpft. Er hört nichts mehr.

Sie wirft um elf noch einen letzten Blick in ihr Buch. Der Mord in schwedisch-verschneiter Einöde hilft beim Einschlafen.

Ein ganz normaler Tag in Metzingen 2018.