In der S-Bahn

Man starrt aus dem Fenster oder ins Buch. Manche lassen sich mit seltsamen Klängen zudröhnen – sie wollen vielleicht nicht auffallen, tun es aber und ernten missbilligende Blicke. Und auffallen wollen die meisten dann doch nicht. Einfach in Ruhe gelassen werden. Neulich, am Zoo, da beklagte sich eine, die schon lange von Deutschland weg ist: Hier sei man so starr und anonym in der U-Bahn. Dabei ließ sie sich von einem offenbar Unbekannten ausquetschen über ihr Woher und Wohin und sie erzählt lautstark. Selber schuld. War doch nur ne simple Anmache, und sie schwärmte von Australien!

Anekdote von der U-Bahn, heute unter Kolleginnen erzählt: Schweigsame Fahrt, knallvolle U-Bahn. Eine völlig verhüllte Muslimin wird auf ihr unruhiges Baby aufmerksam, nimmt es zu sich, zieht völlig ungeniert die Bluse runter (nicht hoch!) und stillt das Kind. Fassungslosigkeit und verwirrtes Weg- oder Hinschauen im Wagen. Das will einfach nicht zusammenpassen!

Heute, in der S-Bahn. Ich habe meine paar Einkäufe im Rucksack auf dem Schoß und betrachte die müden Freitagsgesichter meiner Mitmenschen. Traum: Wenn jetzt ein böser Terrorist käme und uns hier tagelang gefangen halten würde: Wie lange würden meine Brötchen, der Saft und die Schokolade halten? Würde ich allen etwas abgeben, würden alle teilen? Oder zieht man in so einer Situation heimlich, wenn keiner hinschaut, ein lebensrettendes Stückchen aus der Tasche und schiebt es sich unauffällig in den Mund? Und dann das Geschrei und die Empörung der anderen, wenn sie es merken!

Erleichterung, als ich in Neukölln aussteigen kann, ohne meine Einkäufe rausrücken zu müssen.

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