Archiv für Januar 2008
Frühstück
Montag, 28. Januar 2008Eines meiner Lieblingsgedichte ist ganz schlicht und auf Französisch.
Ich versuchs mal auf Deutsch, natürlich ganz frei und spontan und nur so nebenbei:
Er gießt den Kaffee in die Tasse.
Er gießt die Milch in die Tasse Kaffee.
Er gibt noch Zucker in den Milchkaffee.
Mit dem Löffel rührt er um.
Er trinkt den Milchkaffee.
Er stellt die Tasse zurück,
ohne mich anzusehen, ohne mich anzusprechen.
Er steht auf. Setzt sich den Hut auf.
Er geht wortlos fort.
Und ich nehme den Kopf in die Hände.
Und weine.
Das ganz abscheuliche Zwei-Satz-Drama
Samstag, 26. Januar 2008Es gibt unterwegs niedliche Hundchen mit verwirrtem Blick aus dunkelbraunen Augen, die so süß und trotzdem noch hundlich sind, dass in mir manchmal ein leiser Wunsch aufkeimt, auch mal wieder ein Hundchen zu haben, das ich steicheln kann und das sich in seiner Verwirrtheit in der S-Bahn an mich wendet, auf dass ich es beschütze, was aber eigentlich nicht meine Aufgabe wäre, weil er eigentlich mich beschützen müsste, aber so ist das nun mal mit diesen Wesen.
Andererseits gibt es Hundehaufen wie der, den ich heute in Lichtenberg auf einem Tram-Bahnsteig in der Möllendorfstraße gesehen habe, die so entsetzlich sind, so unsagbar groß und ekelhaft, dass ich mir nicht vorstellen möchte, wer den wegräumen muss, geschweige denn, dass ich selbst jemals für so etwas verantwortlich sein könnte.
Angst. In der U-Bahn?
Mittwoch, 23. Januar 2008Es gibt schon unglaublich mutige Menschen. Politikerinnen zum Beispiel, die, um sich und der Welt irgendwas zu beweisen, nachts mit der U-Bahn fahren! Natürlich nicht allein versteht sich, sondern wohl behütet von mehreren Leibwächtern und in Begleitung eines Journalisten, die für eine Zeitung mit großen Buchstaben auf Achse sind. Toll. Muss echt der Horrortrip gewesen sein, denn selbst der Journalist war hinterher froh, die Beschützer dabei gehabt zu haben. Ach ja? War das vielleicht ein anderes Berlin, in einem Paralleluniversum vielleicht?
Ich sehe mich mal kritisch in meiner U7 um. Es ist Abend. Sicher werden mich gleich grimmige Neuköllner Horden anspringen und in den Dschungel zerren. In der Tat fehlen zu der Zeit, da ich mich dieser unglaublichen Mutprobe unterziehe, die typischen Angestelltenmassen, die mit stumpfem Blick ihrer Tagesbeschäftigung entgegenzuckeln. Stattdessen steigen mit mir 1. vier türkische Ommis/Mammis ein und
2. eine afrikanische Mutter mit ihren zwei kleinen, dunkelhäutigen Jungs. Na wenn das nicht zum Fürchten ist! Ansonsten ist der Wagen so gut wie leer. Annäherung der Gruppen: Die eine Ommi (dick, bekopftucht, breitbeinig) sagt zu dem einen kleinen Jungen, wie süß er sei, er solle doch mal herkommen. Worte fliegen hin und her, die Mutter grinst, der Junge geht rüber und wird (verlegen lächelnd, man ist ja Kummer gewöhnt) auf beiden Wangen abgeknutscht, dann umarmt, und bekommt dafür Bonbons. Der andere Junge hebt schüchtern den Blick und bekommt auch einen Bonbon. Die Ommi meint aber streng: „Du nicht küssen, du nicht Bonbon, du erst küssen!“ Worauf der sich noch enger an seine Mutter drückt. Na das nenn ich doch mal Horror pur! Da muss man sich auch noch abknutschen lassen, um einen schäbigen Bonbon abzugreifen! Da hätte sich mein Kind aber bedankt … ich muss grinsen und bin nicht die Einzige im Wagen. Die richtige Angst kommt irgendwie nicht auf.
Wie sonst auch nicht.
dauergewellt
Donnerstag, 17. Januar 2008In meiner Ringbahn sehe ich mich täglich um, man kann ja nie wissen, was für Inspirationsquellen einem sonst entgehen würden. Es gibt zum Beispiel interessante Frisuren, zu Berge stehende Haare, seltsam gefärbte Stoppel, gesträhnte Mähnen und und … oft einfach witzige Ausdrücke dessen, was die Menschen so darstellen wollen. Was ich aber gestern gesehen habe, fand ich gruslig: Die absolut perfekte Frisur. Jede einzelne künstliche Locke türmte sich akurat neben der nächsten, alle Abtönungen stimmten gnadenlos, hellere neben dunkleren Strähnen, das Ganze ein grimmiger Helm, den man sich vielleicht zu Fasching überstülpen würde, blond, bieder, brav. Dauerwelle Marke „Die Sechziger lassen grüßen.“ Mir wurde ganz mulmig beim Betrachten, zumal die Besitzerin des Helms nicht alt war, vielleicht dreißig. Was mag in ihr vorgehen? Die perfekte Sekretärin braucht den perfekten Helm als Schutz gegen die böse Welt? Oder hatte sie schon früh von Mama gelernt, dass man ab einem bestimmten Alter (29?) erstarren muss? Die Arme. Ich jedenfalls konnte meine Augen nicht abwenden … da spart man sich schon die Fahrt mit der Geisterbahn!
Beschwerdebrief
Dienstag, 15. Januar 2008Vielleicht hätte ich ihn doch nicht schreiben sollen?
Aber mal ehrlich. Wenn ich in einen Bus steige, möchte ich einfach nur transportiert werden und nicht den Zigarettenqualm des wartenden Busfahrers inhalieren!
Und doch. Vielleicht schmeißen sie ihn jetzt raus? Rauchen im Bus strengstens verboten, selbst für den Busfahrer, für den der Bus ja im Grunde eine zweite Heimat geworden ist. Weib und Kind zu Hause, schlägt er sich wacker Tag für Tag mit bescheuerten Fahrgästen rum. Und um sich zu entspannen, hat der gute Mann sich nun an diesem Wintertag einmal die Zigarette gegeben. Dumm nur, dass da diese überempfindliche Nichtraucherin mitfahren musste!
Wütende Busfahrer lauern Fahrgast auf – Beschwerdebrief hatte zur Entlassung geführt! Oder so.
Und trotzdem. Es hat so schlimm gestunken, dass ich nach zehn Minuten Fahrtzeit immer noch hätte k… können. Muss ich mir das antun?
Hm.
Vielleicht sollte ich doch noch mit dem Rauchen anfangen. Einfach aus Solidarität mit einer verfolgten Minderheit und um den Geruch besser ertragen zu können.