Ur-Instinkte im Großstadtdschungel
Donnerstag, 15. Januar 2009Es ist ja nicht so, dass wir alles verlernt hätten, was sich unsere Urahnen einst aneigneten. Nehmen wir zum Beispiel das Lauern im Gebüsch, bis wir uns auf die Beute stürzen können. Beute? Na ja, wir müssen wohl mit der U-Bahn Vorlieb nehmen. Aber die Kampfeslust ist doch wohl dieselbe! Ich verlasse gerade die S-Bahn am Bundesplatz, und schon taucht die grimmige Frage auf: Werde ich unten noch die U-Bahn kriegen? Oder wird sie mir vor der Nase wegfahren, sodass ich in wütendes Kriegsgeschrei ausbrechen muss, weil natürlich von dieser einen U-Bahn alle wichtigen Termine des ganzen Tages abhängen?
Nichts da. Ich sause natürlich im Galopp runter, vorbei an allen Weicheiern, die keine Ahnung haben von solchen existenziellen Nöten, und die deshalb schlapp auf der Rolltreppe stehen. Viele sind das am Morgen sowieso nicht. Und dann kommt die Treppe, hier beginnt der wahre Urwaldtrieb: Wir müssen spüren, ob uns schon der Wind der U-Bahn um die Nase weht. Wenn ja: rennen, rennen! Wenn nein: cooles, gelassenes Runterschlendern. Ich weiß ja, sie kommt noch nicht. Und wenn mir gar Leute von unten entgegenkommen, dann kann ich den Gang sogar verlangsamen und diejenigen mitleidig belächeln, die sich jetzt noch beeilen … zu spät Leute, keine Chance!
Aber es kann ja nicht jede(r) das Anpirschen und Überwältigen des Opfers in seinen Genen haben.
(Ich schreibe lieber von Ur-Instinkten als von Urinstinkten. Das sieht so nach Urin aus.)