Kürzestroman: Eine Ewigkeit
Sonntag, 26. August 2007Sie stand wie so oft am Fenster, als sie ihn plötzlich die Straße heraufkommen sah. Er hatte sich kaum verändert, ein wenig schwerfälliger vielleicht. Aber er war es! Wollte er sie wirklich noch einmal besuchen, ihr alles erklären, alles ungeschehen machen? Sie schluckte und merkte, dass der Knoten in ihrem Hals nicht weichen wollte. Es tat weh, immer noch. Was sollte sie denn zu ihm sagen nach all den schweigsamen Tränen?
Einen Tee würde sie ihm anbieten, ja, der brachte Normalität; und sie würden über den Alltag reden, bis sie wieder frei atmen könnte. Und dann würde er sie in ihre Arme nehmen und alles wäre wieder gut. Wieder gut? Wie sollte das gehen? Sie hielt die Luft an. Warum klingelte er denn nicht? Hatte ihn schon wieder die Angst gepackt? Eine Ewigkeit verging und all die Bilder tauchten wieder vor ihrem geistigen Auge auf. Dann sah sie ihn. Er ging wieder die schmale Straße hinunter, doch diesmal war sein Gang der eines alten Menschen.
Sie nahm sich von dem Tee und hielt die warme Tasse mit beiden Händen fest. Nie wieder. Dann lächelte sie erleichtert.