Andreas 35

Andreas musste endlich eine Entscheidung treffen. Was würde aus dem mordenden Möchtegern-Samurai werden? Und noch ein anderes Problem quälte ihn schon seit Tagen. Denn den wichtigsten Aspekt überhaupt für einen brauchbaren Krimi – den hatte er ziemlich übel vernachlässigt. Spannung! Niemand will sich durch endlose Seiten ohne Gemetzel und wildes Bettgetümmel kämpfen.
Um einen klaren Kopf zu bekommen, beschloss er, einen (seltenen) Spaziergang durch ein Neukölln zu machen, das der Frühling fest in seinem Griff hatte. Selbst hier, im Mief der Großstadt, blühten die Linden und zwitscherten die Amseln, als würden sie dafür bezahlt. Er überquerte die S-Bahn-Brücke und betrachtete eine Weile die müllübersäten Schienen. Eine der nächsten Straßen erinnerte ihn plötzlich daran, dass ein Mordopfer dort gewohnt hatte. Ein ungutes Gefühl beschlich ihn. Überall lauerte das Verbrechen, nicht nur in seiner Fantasie. Das passte ihm nicht; konnte nicht alles unter seiner Kontrolle bleiben? Weiter, an den Spielplätzen vorbei. Türkische Jungs tobten sich am Ball aus und riefen sich derbe Sprüche zu. Bedrohlich knallte der Ball ans Metallgitter, sodass er zusammenzuckte. Körnerpark. Er durchstreifte ihn und entdeckte sogar eine kleine Ausstellung von Kunst, Masken, Dingen, die Neuköllner Kinder in einem afrikanischen Projekt hier gebastelt hatten. Erstaunlich. Für eine Weile ließ er sich von seinen trüben Gedanken ablenken, doch schon einige Straßen weiter wurde ihm klar, dass die Leiche des jungen Mädchens neulich genau dort gefunden worden war, wo er jetzt ging. Verbrannt, in einem Koffer. Er verlor die Lust und kehrte um. Kinder auf dem Spielplatz dort lachten und wippten auf einem schwarzen Wippband. Sie wissen nichts, dachte er finster.

Er beendete seine Meditation. Legte gelassen sein Kurzschwert beiseite und erhob sich. Er hatte seine Entscheidung getroffen. Noch mussten einige Vorkehrungen getroffen werden, und schmerzlich würde es für ihn werden, das war ihm klar. Doch es gab keine andere Möglichkeit.

Als Andreas wieder durch den Körnerpark ging, beschloss er, sich ein Glas Rotwein zu genehmigen. Er wollte einmal so richtig über die Stränge schlagen! Wenn ihn seine Mutter jetzt so sehen könnte … dachte er, während er sich den kleinen Park mit seinen Wasserspielchen ansah.

Nina war längst unruhig geworden. Sie ging in ihrer Wohnung auf und ab und mit jedem Schritt verwandelte sich ihre Unruhe mehr in Angst. Was hatte er vor? Mit sich, mit ihr, mit der Welt? Würde das Morden ewig so weitergehen? Vielleicht hatte sie ja etwas in ihm verändert. Sie warf noch einmal einen Blick auf das Bett und zog dann ein Kleid an, das in die Welt schrie: Es ist Frühling, Leute, freut euch! Das leuchtende Grün brachten ihre roten Haare noch mehr zum Leuchten. Damit wollte sie alle bösen Geister vertreiben; böse Mörder vielleicht auch.
Unterdessen verließ er seine Wohnung.

3 Kommentare zu “Andreas 35”

  1. SuMuze
    April 26th, 2007 22:42
    1

    ha, bei uns im Rheinland sagten sie ja früher: die kippen sich de Kaffee in de Kopp. Aber die Baliner scheinen zu sagen: eene leisch uffet Jlass.
    Rotwein, ein Glas, über die Stränge schlagen! O Mann, ick muss die Hose wechseln…

  2. Franziska
    April 27th, 2007 21:22
    2

    Na Mensch, det is doch ER wieder, Andreas eben.
    Ansonsten gibt es hier in der Hauptstadt durchaus verwegene Gestalten, die sogar mal zwei Glas trinken!

  3. SuMuze
    April 27th, 2007 22:59
    3

    :-)