Mini-Krimi: Mit Mephisto unter einer Decke
Im Grunde war es ganz einfach – es kam nur auf die richtige Mischung an! Abends ein kleines Tröpfchen in den Abendtee. Morgens eine Prise unter den Kaffee gemischt … das musste doch einfach funktionieren. Dachte er. Denn mit anderen Mitteln würde er wohl nie aus dieser Zweisamkeit herauskommen; eine Gemeinschaft, die mehr war als eine Wohngemeinschaft: Eine Fessel! Anfangs hatte ihm sein lieber Professor angeboten, ein Weilchen bei ihm zu wohnen, das war sicher nett gewesen. Und da es in jener verträumten kleinen Universitätsstadt sehr schwierig war, eine angemessene Wohnstatt zu finden, hatte er gerne angenommen. Aber aus dem gemeinsamen Wohnen war mehr geworden. Zuerst eine zurückhaltende Männerfreundschaft, bei der nicht zu viel gesprochen wurde. Ein gemeinsames Bierchen am Abend, vielleicht ein Spaziergang am Sonntag. Doch dann fühlte er langsam, wie sich die Zuneigung des Lehrers wie Schlingen um ihn legten. Es konnte geschehen, dass er nachts aufwachte, aber nicht die Augen öffnete aus Angst, den anderen zu sehen: Am Bett stehend, ihn anstarrend. Er glaubte dessen Atemzüge zu hören. Was würde der machen, wenn er tief schlief?
Die Seltsamkeiten nahmen zu. Seine Zahnbürste fühlte sich plötzlich fremd an, als hätte sie jemand benutzt. Ihm wurde übel bei dem Gedanken. Die Papiere in seiner Schreibtischschublade wirkten umgeordnet, ohne dass er eine konkrete Veränderung benennen konnte. Und seine Wäsche schien über Nacht die Fächer zu wechseln.
Auszug? Niemals. Mit der Zeit war die Gemeinsamkeit so innig, dass daran nicht zu denken war. Einmal hatte er dem Alten gegenüber angedeutet, dass es da eine gewisse junge Frau gäbe und man womöglich zusammenziehen wollte. Er hatte dabei ganz vage und unbestimmt gesprochen, nur vorfühlen wollen! Wenige Tage später war seine Angebetete abends auf dem Heimweg von einem Unbekannten überfallen worden. Man fand ihre Leiche erst am nächsten Morgen, nicht weit von ihrem Wohnhaus. Erwürgt.
Danach war er vorsichtig geworden. Nur noch geheime Liebschaften ohne Zukunftspläne. Er wusste, dass der andere ihn in der Hand hatte. Der hätte seine Karrierepläne in Sekundenschnelle zerstört. Er wusste, er war ein Nichts ohne ihn. Und doch war nun der Punkt erreicht, da er es nicht mehr ertragen konnte.
Das Mittel wirkte sanft. Ein schläfrig-träumerisches Gefühl setzte ein, dessen sich der Vergiftete gar nicht bewusst war. Nun war der Junge es, der sich nachts in die Nähe des Alten schlich und ihm Dinge einredete, die nicht sein durften. Er konnte sehen, dass der andere nichts merkte, nichts verstand. Tag für Tag wurde die Stimme deutlicher und der Auftrag dringlicher: Finde sie. Finde die Eine, die dich lieben wird. Du bist jung, du bist klug!
Und der Alte zog los und sprach ein junges Mädchen an. Wie leicht es giing! Sicher war sie auch geschmeichelt, da sie der Herr Professor eines Blickes würdigte. Er genoss es, den Alten in seiner plötzlichen Verliebtheit zu sehen. Es ging fast zu glatt. Sie gab dem Alten nach. Sie wurde schwanger.
An diesem Punkt verlassen wir Herrn G aus W.. Er sitzt zurzeit in Untersuchungshaft; wurde festgenommen wegen Verdachts auf Vergiftung, eine junge Frau aus dem Ort hatte ihn angezeigt. Diese lebt jetzt mit einem angesehenen Universitätsprofessor in dessen Villa und erwartet ihr zweites Kind. Nachbarn sagen, dass das ungleiche Paar eine sehr glückliche Ehe führt und die junge Frau nur durch das seltsame Verhalten des ehemaligen Studenten ihres Mannes auf das Gift aufmerksam wurde. Ihr Mann sei wohlauf, heißt es.
Herr G. verbringt seine Tage meisten damit, auf die Gefängniswand einzureden. Aber keiner beachtet ihn sonderlich.