Tunis 9
Kommen wir mal zum Thema Feilschen. Mir liegt das ja nicht, so über Preise zu diskutieren, aber manchmal gelingt es mir trotzdem, einfach weil ich mich gemütlich über den entsprechenden Gegenstand unterhalte, ein bezahlbares Gebiet zu erreichen. „Och wissen Sie“, sage ich zum Beispiel, „ich will ja nur eine Kleinigkeit mitbringen, ich sehe ja vollkommen ein, dass das zu wertvoll ist als Mitbringsel!“ Und plötzlich ist der Preis des ersehnten Gegenstands von 59 Dinar auf 10 gesunken, das sind nur noch etwa sieben Euro.
Neulich aber erging es mir ganz anders. Ich fand inmitten des Gewühls der Medina einen winzigen Schneiderladen, der mir mein Kleid kürzen sollte. Ich betrete also eine dunkle Höhle, draussen strömen die Massen vorbei, doch hier drinnen ist es still und gemütlich. Ein kleiner Ventilator dreht sich. Wir kommen so ins Reden, der alte Mann und ich, während er vermisst und schneidet und näht und bügelt. Was für eine Nähmaschine, ein schwarzes, klappriges Teil aus dem Jahr 1917! Die Schere ebenso, riesig, furchterregend und bewährt. Er legt sie mir stolz grinsend in die Hand. Das Bügeleisen ist ein schweres Eisenteil von ähnlichem Alter und ich erfahre, dass all diese Zauberdinge einst von einem jüdischen Schneider in eben diesem Kabüffchen verwendet wurden, dem Leibschneider des Herrschers!
Ich bin schwer beeindruckt und sage ihm, er müsse stolz sein auf dieses Erbe – und das kann ich ihm dann auch ansehen.
Es kommt zur Bezahlung, und er will nur zwei Dinar für seine Mühe, also etwa 1,20 Euro! Das kann ich nicht zulassen. Feilschen umgekehrt: Ich gebe ihm fünf Dinar, obwohl er erst abwehrt. So gehts doch schliesslich nicht, sage ich zu ihm: Anständige Arbeit wird anständig bezahlt.
Mein tunesisches Gewand steht mir natürlich ganz hervorragend, falls es jemanden interessiert.
Juli 20th, 2007 23:04
Es tut gut, zu spüren, auf welch unerschütterlicher Grundlage du bist. Auch in Tunesien (das mir immer mehr gefällt!)