Idylle in der Hasenheide

Wenn es keine U-Bahn gibt, die einen durch die Gegend karrt, dann muss man sich schon mal aufs Radl schwingen und den eigenen Bezirk besuchen. Heute also in die Hasenheide.
Nein, es gab nicht Massen an Drogenverkäufern, die mich ansprangen. Dafür fußballspielende Kroaten (oder Serben?), plauschende türkische Familien, Eltern, Kinder in allen Farben. Ich folge einem Weg, der bergauf führt (wie jetzt, bergauf? In Berlin? Ah, ein Trümmerberg!) und gelange auf einen kleinen Berg. Wow! Blick nicht schlecht, genug Sitzgelegenheiten sind auch da, sodass ich mich in mein Buch vertiefen kann, während um mich das Publikum wechselt: Mal eine eher schmuddelige deutsche Familie mit riesigen Hunden und Alkoholfahne. Dann junge, schicke Leute, die sich wohl eher verirrt haben. Eine blonde Mutter mit ihrem farbigen Kind nebst Fahrrad, beide sehr munter. Im Hintergrund höre ich muslimische Gesänge von der Moschee, die über den ganzen Park schweben und in mir Erinnerungen an Tunesien wach werden lassen. Dann schrecke ich wieder von meinem Krimi auf, weil sich ein wunderlicher Typ in der Mitte dieses Platzes aufgebaut hat. Zu seinen Tai-Qi-ähnlichen Bewegungen stimmt er Bassgesänge an, die die meisten auf ihren Bänken zum Grinsen bringen. Er lässt sich nicht beirren und ich beneide ihn um dieses Selbstbewusstsein – Mann, wäre mir das peinlich, mitten auf dem Berg die Arme zum Himmel zu recken und Oooaaaa zu singen! Er bleibt cool und hebt unser aller Stimmung.
Schließlich breche ich wieder auf, Zeit, das Kind abzuholen. Aber einen kleinen Umweg mache ich noch, ich will doch mal sehen, woher die muslimischen Gesänge kamen. Und ich entdecke einen prächtigen, noch nicht ganz fertigen Bau direkt am Flughafen. Die Stimme wird lauter und ich neugieriger. Ein dicklicher Deutscher äfft den Gesang lautstark nach und kommt sich unheimlich witzig vor. Eine grimmig aussehene Frau mit blondem Stoppelhaar schreit ihren riesigen Hund an, er soll endlich kommen, sie wolle weg da! Dabei klingt ihr Aufschrei in meinen Ohren ziemlich rheinländisch. Vielleicht ein katholisches Aufbäumen gegen die akkustische muslimische Übermacht? Albern. Mir gefällts und ich fahre gut gelaunt weiter.

Ein Kommentar zu “Idylle in der Hasenheide”

  1. SuMuze
    März 10th, 2008 09:18
    1

    Dein Text klingt mir ganz danach, das Rad rauszuholen und mitzufahren!

    P.S. Hat mich an etwas erinnert, was ich einmal von einem Berliner gesagt bekam: das Angenehme an Berlin sei, daß seine Bevölkerung sich nur zum geringeren Teil aus Berlinern zusammen setze.