nein iläwn
Er war lange Zeit nicht mehr in Berlin gewesen. Alles schien so fremd. Schon dass man Kochstraße aussteigen und dann immer weiter nach Norden gehen konnte, zu Fuß, die Friedrichstraße entlang! Unfassbar. Dafür hatten seine Mitmenschen natürlich wenig Verständnis. „Amerikaner“, dachten sie vielleicht, und das wars dann. Obwohl er ja auch aus Deutschland kam.
An jenem Morgen wollte er die S-Bahn nehmen, die Ringbahn – auch so eine fantastische Änderung. Das wäre praktisch gewesen zu seiner Studienzeit, nicht mit der öden U7 durch die halbe Stadt! Damals. Er träumte vor sich hin. Hier in Neukölln hatte sich nicht so viel geändert, die Karl-Marx-Straße sah fast so aus wie vor dreißig Jahren. Die Brücke des S-Bahnhofs, auf der er jetzt stand, hatte er oft gesehen. Und nicht beachtet.
Alle Leute um ihn herum wirkten gelassen. Gelangweilt. Ein ganz normaler Morgen für sie. Man wartete auf den Zug. Die Anzeige: Noch zwei Minuten. Er starrte ebenso vor sich hin. Hörte dann das Motorengeräusch. Blickte auf, über die Dächer Neuköllns: Ein Flugzeug! Klein, mit Propellern. Es näherte sich der Stadt. Panik ergriff ihn. Ja sahen sie denn nicht die Gefahr? Hörten sie es nicht? Immer tiefer ging es, schon fast streifte es die Häuser. Und immer noch dieser Stumpfsinn bei seinen Mitmenschen. Nein! Das durfte nicht sein! Gleich würde es krachen, Schreie, Sirenen. Und niemand wollte etwas tun, weil hier in dieser Stadt offenbar nur noch Gleichgültigkeit regierte. Immer näher. Lauter.
Da fing er an zu schreien. Er rannte los. Schüttelte die Passanten, brüllte sie an. „Man muss was tun!“, und „Nein, nein!!“. Sie sahen ihn verständnislos an. Ja waren sie denn blind? Zu spät, nur noch wenige Sekunden!
Ein älterer Herr klopfte ihm beruhigend auf den Rücken. „Keine Panik, junger Mann. Det is hier immer so. Da drübn is der Flughafen Tempelhof, wissense.“
Beschämt verließ er den Bahnsteig, unter mitleidigen Blicken. Morgen ging sein Flug zurück nach New York. Nach Berlin würde er so schnell nicht mehr kommen.