Archiv für die Kategorie 'Alltag'

Ein ganz normaler Tag in Metzingen

Dienstag, 16. Oktober 2018

5.30 Uhr. Sein Wecker klingelt. Es ist dunkel und kalt. Er hat absolut keine Lust aufzustehen. Aber es muss sein.

6.30 Uhr. Ihr Wecker klingelt. Sie dreht sich nochmal ganz kurz auf die andere Seite, nur zehn Minuten. Muss sein.

Um die Zeit fängt er schon an zu arbeiten.  Er schaltet einen Ofen ein, setzt sich an seinen Arbeitsplatz und nimmt das nächste Teil in die Hand. Eigentlich müsste das schon längst fertig sein, der Kunde wartet.

Um halb acht sieht sie dem Hund auf der Streuobstwiese zu. Die Sonne steht schon überm Florian.

Seine Kollegen trudeln ein. Viele grußlos. Eine flucht. Es wird lauter. Geräte und Radios werden eingeschaltet.

Sie frühstückt noch und hört dabei auch Radio, bevor sie sich so um acht auf den Weg macht. Sieben Minuten mit dem Fahrrad – da ist noch genug Zeit für ein paar Kopien. Halb neun steht sie vor der Klasse.

9.00 Uhr. Bei ihm im Labor ist es inzwischen richtig laut geworden. Geräte rotieren, verschiedene Radios dudeln. Durch die Öfen ist es heiß, Chemikalien stinken, gesund ist das nicht. Ein Kittel soll gegen gefährliche Spritzer helfen. Sauber ist es auch nicht.

Sie verteilt derweil Papierstreifen mit kleinen Texten, die die Teilnehmer zu Dialogen ordnen müssen. Sie haben viel Spaß dabei. Auch kroatische, italienische und rumänische Wortfetzen fliegen durchs Klassenzimmer. Das ist okay. Die meisten sind zwischen zwanzig und dreißig und voller Hoffnung.

Um zehn macht die Klasse Pause. Alle freuen sich über Kaffee, einen Apfel oder eine schwäbische Bretzel … Eine junge Syrerin hat gebacken und bietet gefüllte Pfannkuchen an.

Er poliert um zehn ein Werkzeug an der Schleifmaschine. Kleine Metallspäne fliegen durch die Luft. Zwischendurch beißt er kurz von seinem Brot ab.

Elf Uhr. Sie zeigt Bilder von regionalen Spezialitäten auf einer Deutschlandkarte. Die Teilnehmer lernen etwas über Spätzle und Maultaschen und erzählen lautstark von Ravioli, Pelmeni und Manti. Dann hören sie eine Hörübung von der CD und kreuzen Antworten auf einem Blatt an. Vorbereitung für die nächste Prüfung. Jetzt sind alle ganz still.

Er versucht an einer bestimmten Sache zu bleiben. Unmöglich  –  ein Anruf kommt, das benötigte Teil ist noch nicht fertig. Der Druck wird größer.

Viertel vor zwölf. Die Klasse geht nach Hause, Hausaufgaben müssen sie natürlich auch noch machen. Heute: Eine Reklamation schreiben. Sehr geehrte Damen und Herren, ich habe bei Ihnen …

Bei ihm im Labor klingelt schon wieder das Telefon, eine unfreundliche Reklamation. Dabei hat er mit diesem Fehler nichts zu tun!

Sie füllt ihre Listen aus, legt eine Entschuldigung ins Fach und zieht noch schnell eine Kopie für den nächsten Tag. Es ist zwölf. Schnell nach Hause. Mittagessen machen.

Viertel nach zwölf ist auch er zu Hause. Um halb wird gegessen. Beide sind müde.

Er muss dann wieder los. Einige Kollegen sind jetzt schon weg – es wird etwas ruhiger im Labor.

Sie darf jetzt verschnaufen und freut sich auf den Krimi aus Schweden. Der Hund freut sich über ihre Gesellschaft.

15.00 Uhr. Er überprüft zwischen zwei anspruchsvollen Arbeiten das Material und bestellt etwas nach. Die Luft ist schlecht.

Sie genießt um halb vier die Luft draußen bei den Obstwiesen. Hund zufrieden. Frauchen zufrieden. Auf einer Bank denkt sie über ein Problem mit den Relativsätzen nach.

Er fährt um vier eine Arbeit aus. Der Kunde wartet schon ungeduldig.

Sie sitzt um fünf schon wieder am Computer und bastelt ein Quiz für Relativsätze. Wie heißt die Frau, die Kanzlerin in Deutschland ist? Sie wird am nächsten Tag Teams bilden. Gewinnen wollen sie immer.

Um sechs geht es für sie noch einmal los. Ein Abendkurs mit munteren Albanern und Kroaten. Eine junge Frau von den Philippinen ist auch dabei. Jeder muss heute mit einer Aufgabe durchs Klassenzimmer laufen und die Antwort bei anderen Teilnehmern finden. Es wird viel gelacht und sie vergessen ihre Müdigkeit.

Im Labor sind nur noch wenige. Aber eine wichtige Sache liegt noch auf dem Tisch. Eine schwierige Arbeit, die Können und Konzentration erfordert. Wenn ein kleiner Fehler passiert, muss man den ganzen Prozess wiederholen. Hier wird nicht gelacht.

Um neun kommt sie nach Hause, zufrieden mit ihrem Tag. Die Stimmen der Lerner hallen noch eine Weile nach. Sie versinkt auf dem Sofa und freut sich über Doctor Who im Fernsehen. Wieder einmal muss er die Daleks besiegen. Der Hund lässt sich mit einem kleinen Seufzer neben ihr nieder.

Er kommt dann auch nach Hause. Von den Daleks bekommt er nicht viel mit. Noch ein paar Mails checken. Er kann vor Müdigkeit kaum die Schrift erkennen.

Ihr fällt um halb elf noch eine geniale Übung ein. Das wird den Leuten morgen gefallen! Noch mal schnell Computer und Drucker anschalten …

Da schläft er schon längst tief und erschöpft. Er hört nichts mehr.

Sie wirft um elf noch einen letzten Blick in ihr Buch. Der Mord in schwedisch-verschneiter Einöde hilft beim Einschlafen.

Ein ganz normaler Tag in Metzingen 2018.

Eichhörnchen

Sonntag, 27. Mai 2018

Ganz fiese Tiere sind die Eichhörnchen. Sie huschen einem nur an der Nase vorbei, um zu provozieren. Sie rasen blitzschnell am Baumstamm hoch, während anständige Leute sich unten am Baum aufstellen und bellen und ihre Wut rauslassen. Und dann lacht es auch noch von oben! Richtig fies, sag ich da nur. Erwischen lassen sie sich nie. Aber es kommt vor, dass sie anständige Vierbeiner erwischen, in den Nacken beißen, quälen, peinigen!
Wir sind der Meinung, dass Eichhörnchen, diese dreisten rotbraunen Schweifträger, im Wald Kletter- und Springverbot haben sollten, damit sich anständige Wedeltiere in Zukunft nicht mehr so aufregen müssen!

Maikäfer

Freitag, 18. Mai 2018

Es gibt sie noch! Ende April gab es schon eindeutige Hinweise dafür. Ein brauner Flügel hier, ein halber Käfer dort. Im Mai stand ich vor einer Hecke mit frischen grünen Blättern. Da musste doch irgendwo einer sein. War aber nicht. Bis ich den ersten lebendigen Maikäfer auf der Straße fand. Und da konnte ich endlich testen, ob es sich noch so anfühlte wie früher, wenn ein Maikäfer über die Hand krabbelt und einen ernsthaft ansieht. Tut es. Er hat dann einen schönen Platz im Gebüsch vor der Volkshochschule Metzingen bekommen.
Nein, ich werde nicht mehr Bäume schütteln und die runtergefallenen Käfer in einen Schuhkarton mit Löchern stopfen, mit köstlichen Blättern drin. Die Zeiten sind endgültig vorbei! Aber ich kann immer noch träumen … Maikäfer, los, flieg schon!

du oder Du?

Mittwoch, 04. Januar 2017

Es ist ulkig. Früher lernten die Kinder in der Schule, dass sie in Briefen „Du, liebe Tante Anna, ich danke Dir für Dein wunderbares Geschenk“ schreiben sollten. Heute sind wir frei, wir dürfen entscheiden, ob wir in Briefen noch diese traditionelle Großschreibung verwenden wollen oder nicht. Schön! Leider haben das einige nicht so recht begriffen. Das große Du ist auf dem Vormarsch! Duckt euch, das Du kommt! Ist ein Schwätzchen bei WhatsApp ein Brief? Nö. Ist ein veröffentlichtes Interview ein Brief? Sicher nicht. Ist Werbung auf Plakaten in Briefform? Nee! Also warum schreiben immer mehr Menschen dort „Dir, Dein, Dich, Du“? Weil sie nicht darüber nachdenken. Weil sie unsicher sind. Weil sie es anderen rechtmachen wollen. Weil sie unbewusst gegen jede Reform protestieren wollen.
Na klasse. Ich sage dir hiermit, dass ich dich netter finde, wenn du mir ein kleines, freundlicheres, distanzloseres, unverkrampftes Du entgegenwirfst!

Im Dunkeln

Dienstag, 13. Dezember 2016

Es ist ja nun wirklich unpraktisch, das mit der Dunkelheit. Man sieht nämlich so schlecht. Und dummerweise wird es jetzt schon um halb sechs richtig dunkel. Ich stapfe natürlich wacker mit Cookie durch die Natur. Niemand sonst. Die anderen Hund müssen jetzt nicht mehr Gassi gehen. Eine Zeitlang genieße ich noch einen kitschig-rosa Himmel. Am Waldrand male ich mir aus, wie ein Jäger uns für irgendein schießenswertes Getier hält. Und schießt. Vielleicht würde ich hier in die Blätter sinken. Der Hund würde sich mordsmäßig aufregen. Und dem Jäger wäre das echt unangenehm, aber sicher hätte er Ausreden, Argumente, Schießgründe.
Ich gehe unbehelligt weiter und sehne mich nach meinem warmen Heim. Zwei Lichtfinger kommen um die Ecke – warum muss einer um die Zeit noch mit dem Auto durch die Natur fahren? Gibt es solche Gütlesbesitzer? Sicher nicht. Der nimmt doch nur eine Abkürzung. Ich stelle mich an den Wegesrand, bis ich erkennen kann, welche Richtung er nehmen will. Dann kann ich ausweichen. Denke ich. Und mache einen Schritt zur Seite, geblendet von den Scheinwerfern. Plumps! Wie war das mit Hoppe Hoppe Reiter? Ich liege im Graben, aber so richtig tief, alle Knochen tun weh, der Hund zerrt an der Leine und will das Auto fressen, na ganz toll. Nur mit Mühe kann ich da wieder rauskriechen. Nicht lustig!!!
Dann doch lieber die Dunkelheit. Ruhe. Krähenrufe. Und bitte keine Autos!!!
(Habe es wieder nach Hause geschafft. Nichts gebrochen, danke der Nachfrage)

Am Florian

Mittwoch, 31. August 2016

Hier ist es wirklich viel gefährlicher als in Berlin! Findet jedenfalls Cookie. Kaum haben wir die letzten Häuser hinter uns gelassen, schon stürzen sich riesige Mähmaschinen auf meinen armen Hund! Traktoren fahren brüllend an uns vorbei. Über uns kreisen kreischende Raubvögel, die es vor allem auf kleinere Mischlinge abgesehen haben. Und am Fuße des Florians lauern große schwarze Monster mit Hufen, die einen dreisten Hund blitzschnell erwischen können. Was den Berliner Köter aber nicht davon abhält, sich immer wieder auf die Bestien zu stürzen und ihnen ins Ohr zu brüllen … peinlich. Die Pferde schütteln nur ihre Köpfe.