Verschwörung
Schon als sie aus dem Haus ging, wusste sie, dass die Welt gegen sie war. Nicht so ein albernes „Die Welt hat sich gegen mich verschworen“, nein, sie wusste es wirklich und sah: In Neukölln der sonntägliche Flohmarkt war ohnehin schon nervig, heute aber parkte ein Wagen direkt vor ihr auf dem Bürgersteig, gleichzeitig plauderten zwei riesige Afrikaner so gemütlich und breit genau dort, dass an ein Durchkommen nicht zu denken war.
In der S-Bahn, (mal wieder): Eine mürrische Frau mit strähnigem Haar drängelte sich vor sie und setzte sich prompt an den Gang, sodass sie mühsam über Beine klettern musste. Auch das Wetter war entsprechend: Während im Süden Deutschlands die Sonne strahlte und Leute am Vorabend sogar die Mondfinsternis zu sehen bekommen hatten, versank Berlin im Grauschleier. Am Himmel und auf den Gesichtern der Menschen.
Aussteigen, umsteigen. Klar, dass sie von zwei rüpelhaften Radfahrern auf dem Bahnsteig fast an die Mauer gequetscht wurde, als die ihre Räder die Treppe runtertrugen. Finsteres Grollen ihrerseits. Wie machten die es nur, wie verständigten die sich untereinander, um sie fertigzumachen?
Rückweg. Inzwischen hatte sich sogar die Sonne durchgekämpft und auch die Menschheit schien etwas positiver. Sie las in der S-Bahn ihren Thriller, als sich ein Mann neben sie setzte. Aus den Augenwinkeln konnte sie weiße Pluderhosen sehen, Fliegerjacke, beim kurzen Hochblicken dann Glatze und roten Rauschebart. Faszinierend. Und da wusste sie auch, was all die Vorboten ihr hatten sagen wollen: Die Stunde der Abrechnung war gekommen.
Es war klar, dass Rauschebart irgendwann seine Bombe aus dem Rucksack ziehen würde. Ein Staunen und Raunen würde durch die Reihen gehen und sie würden verstehen und die Welt wäre eine neue …
Wie der ernsthafte Muslim, so stieg auch sie wieder Neukölln aus und blickte ihm noch versonnen nach. Ein Vater zeigte seinem Sohn den sonderbaren Gläubigen („Kuck mal, Glatze und nen roten Bart, da!“) während er entschwand. Sie ging wieder am Flohmarkt vorbei, diesmal zufriedener mit sich und der Welt. Gestank und Müll störten sie nun nicht mehr. (Auch nicht die sich wild streitenden Araber, die ihr nachsahen).
Sie lächelte.