Andreas 21
Wenn es Nacht wurde über Berlin, dann war es seine Zeit. Er wanderte in seinem langen Gewand durch die Straßen und hielt Ausschau. Nach wem? Nach dem, der in seinen Augen die Strafe verdiente. Denn er wollte die Welt rein machen von Sünde, und so musste er zum Bösen greifen, um das Böse zu bekämpfen. An jenem Abend war es die Hasenheide, die er durchstreifte. Die leise seufzenden Pärchen beachtete er nicht und auch die Gestalten mit ihren Drogenpäckchen im Gebüsch kümmerten ihn heute wenig. Ihm stand eine ganz andere Sünde vor Augen. Seine Hand schloss sich fester um den Griff des alten japanischen Schwerts, das er schon so lange besaß. War es das, was sich einst sein Sensei gewünscht hatte?
Andreas dachte über die letzten Worte nach. Was brachte einen eigentlich dazu, sich zum einsamen Rächer aufzuschwingen? Welche der ganzen Fiesigkeiten um ihn herum waren für so einen tolerabel, welche nicht? Ihm selbst ging ja weiß Gott viel auf den Keks. Hunger. Er würde sich heute zur Feier des Karfreitags eine dieser Fertigsuppen machen, mit „extra viel Gemüse“ und wenig Fett. Versprach jedenfalls die Packung. Er nahm sich eine Schere aus der Schublade und betrachtete sie plötzlich, als sei es das erste Mal. Wie war das eigentlich, wenn man jemanden tötete? Wie fühlte sich das an? Musste ein ordentlicher Schreiberling nicht alles testen, bevor er es hinschrieb?
Verwirrt über seine Gedanken schüttelte er den Kopf und das Suppenpulver in den Topf.