Amdreas 20

Als er durchs Küchenfenster die triste, graue Wolkendecke betrachtete, wusste Andreas: Ja, so hatte ein Karfreitag auszusehen. Mit gesenktem Kopf und fleischlos musste dieser Tag begangen werden! Aber die Menschen vergaßen ja leider die guten alten Traditionen.
Ob die türkischen Nachbarn schon den Einkaufswagen entdeckt hatten? Er stellte sich vor, wie sie ihm vor der Tür auflauern und zur Rede stellen würden. „Hey Alter, lass die Spielchen mit dem Einkaufswagen!“ Er würde sie dann aber ganz energisch auf eventuelle juristische Konsequenzen hinweisen! Als Kind hatte er sich in solchen Situationen vorgestellt, Old Shatterhand zu sein und gegen die Bösen zu kämpfen. Oh ja, das konnte er noch heute, sich eine blonde (aschfarbene) Strähne aus dem Gesicht streichen und seinem Freund Winnetou ins Gesicht blicken. Wobei der Freund natürlich fehlte. Aber er würde es diesen Rabauken auf jeden Fall zeigen! Vorerst aber begnügte er sich damit, den heiligen Karfreitag mit einem alten Winnetou-Film zu versüßen. Auch die kleine Schwester vom Häuptling der Apachen war ja so süß, so anständig … Da könnte sich die von unten eine Scheibe abschneiden. Gestern hatte die Besuch bekommen, gleich zwei nicht sonderlich alte Männer. Gelächter und Musik hatte er auch mitbekommen. War sowas denn nötig?

Der jungen Kommissarin Nina jagte nichts so schnell Angst ein, aber als sie an jenem strahlenden Ostertag aus dem Haus trat, musste sie doch ganz schön schlucken: Über fünfzehn finstere Gestalten auf Motorrädern hatten sich vor ihrer Haustür versammelt und starrten sie nun wütend an. „Wasn los?“, gab sie sich betont gelassen. „Ist euch das Benzin ausgegangen?“ „Das weißt du ganz gut“, knurrte der Anführer der Motorradgang. „Gib uns zurück, was du uns gestern geklaut hast!“ Doch so leicht ließ sie sich nicht beeindrucken. „Geklaut nennst du das?“, flötete sie. „Ich habe Material sichergestellt, mit dem sich die Polizei noch zu befassen hat!“ Und damit schwang sie sich anmutig auf ihr Rad und schlängelte sich blitzschnell an den klobigen Zweirädern vorbei. Und weg war sie, die zwei Kilo weißen Stoffes in der Satteltasche.

Nur, was sollte das mit dem Samurai zu tun haben? Andreas war sich da noch unschlüssig, erinnerte sich aber rechtzeitig: Eine weitere Zutat zu einem erfolgreichen Krimi war das Unverständliche. Immer wieder wahllos eingesträut, hob es immens das Niveau des Werks: Dinge und Situationen, die zunächst überhaupt keinen Sinn ergaben, später aber zur Auflösung des Falls beitrugen! Außerdem musste man sowieso ständig am Charakter der Hauptperson arbeiten.
Zufrieden legte Andreas das Fernsehprogramm beiseite und zappte sich zu „Ben Hur“ weiter. Auch schon eine Weile nicht mehr gesehen.

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