Andreas 19
Zu spät fiel ihm ein, dass am nächsten Tag Karfreitag war und er unbedingt noch das Lebensnotwendige einkaufen musste. Oh nein. Ein flüchtiger Blick in den Spiegel zeigte ihm zwar seine mieseste Schlabberkordhose in Matschbraun, aber für den Supermarkt musste die reichen.
Gleich vor dem Nachbarhaus machten sich ein paar türkische Jugendliche daran, den Einkaufswagen zum Laden zurückzuschieben, als sie von einem vorbeikommenden Kumpel dazu überredet wurden, einfach den Euro rauszuholen und den Wagen auf dem Bürgersteig stehen zu lassen. Was Andreas‘ Laune sofort noch mehr dämpfte. Was kostet eigentlich so ein Einkaufswagen? Was für eine Strafe gab es für solche Diebstähle?
Im Laden war es so voll, dass die Kasse nur aus weiter Ferne zu sehen war. Vorösterliche Grauen. Der Rückweg: Mann pinkelt gegen Baum, Neukölln lässt grüßen. Einkaufstasche reißt ein. Hunde kläffen ihn an. Und der einsame Einkaufswagen, wie erwartet zwei Häuser weiter. Grimmig stellt Andreas ihn genau vor das Haus, aus dem vorhin die Jugendlichen gekommen waren. Rache ist süß, denkt er. Da werden sich dann alle fragen, von wem der ist, der Einkaufswagen.
Zu Hause stellte er wie gewöhnlich fest, dass er die Hälfte vergessen hatte. Aber auch egal, er war ja genügsam.
Nina war heilfroh, als sie die parkenden Autos vor dem Supermarkt sah, dass sie schon am Vortag alles eingekauft hatte. So konnte sie sich voll und ganz auf ihren Fall konzentrieren. Zunächst einmal: Wo gab es in der Stadt Menschen, die sich für die Praktiken alter Schwertkämpfer interessierten? Wo würde sie einen Samurai-Rächer finden? Denn davon war sie überzeugt: Ihr Gefühl trog sie nicht.