Tony 2
Was mir heute unterwegs nicht gefallen hat: Autofahrer, die extra an den Straßenrand fahren, um mich harmlosen Fußgänger zu durchnässen.
Drei Jungtussen, die wildest aufgemotzt in der S-Bahn tratschen und dabei ihrem Hass auf Türken freien Lauf lassen. Zitat „Ick hasse die Viecher.“ Dito.
Eine jüngere Frau, die mit ihren Klack-Klack-Schuhen die ganze U-Bahn-Station Heidelberger Platz zum Hallen gebracht hat. Macht denen das eigentlich Spaß, solche Schuhe zu tragen?
Versteht mich nicht falsch, ich bin ein Mann, der weiß Gott viele nicht von der Bettkante stoßen würde, aber manches bei den Frauen kann ich einfach nicht verstehen. Schuhe zum Beispiel. Oder die Frechheit! Wenn ich so auf Achse bin, beobachte ich immer wieder, dass eindeutig die Frauen die aggressiveren Leute unterwegs sind. Klar, Typen sind vielleicht lauter. Aber wenn mich Frauen manchmal anbaggern, muss ich mich schon wundern. Sicher, ich sehe nicht schlecht aus für meine fünfzig Jährchen. Haare noch schwarz und nicht sonderlich kurz. Meistens schwarze Lederhose und Lederjacke. Aber bin ich deshalb gleich Freiwild?
Übrigens: Andreas will mir das immer gar nicht so glauben. Ist ja nun wirklich kein Held, der Junge. Aber er hat angefangen, einen scheußlichen Arztroman zu schreiben. Richtig eklig, ist schon fast wieder gut! Ab und zu gibt er mir was davon zu lesen. Er hat ja sonst niemanden.
Schwester Irene war neu auf Station, aber sie wusste sehr schnell, wer der begehrteste Mann dort war. Nicht etwa Oberarzt Doktor Schellenbeck, nein. Der aufstrebende Jungarzt war es, Doktor Prätensius: Blond, breite Schultern, die zum Ausheulen geradezu einluden; ein dezenter Zweitagebart und diese feine Goldrandbrille, die das Herz der unerfahrenen Schwester zum Beben brachte. Und doch ahnte sie auch schon bald: Sie war für ihn nur ein Nichts.
Meine Güte, Leute, das ist schon eine ganz schöne Zumutung. Aber Andreas braucht etwas Aufmunterung, also habe ich ihn nicht niedergemacht. Die Polizei war noch mal bei ihm und wollte eines seiner Küchentücher haben, reine Routine sagten sie. Na denn Prost. Ich mische mich da ja nicht ein.
Was mir heute unterwegs übrigens exotisch vorkam: Zwei alte deutsche Damen, aufgepretzelt mit Gold und Perlen, Rüschen und Handtäschchen (sowas gibts noch!), die sich in der S-Bahn unterhielten. Über Hanni und ihre verkorkste Ehe mit dem Spanier und der Geldknappheit nach der Scheidung.
Heute einige nette Fotos geschossen. In aller Heimlichkeit, klar.
Dem miesen Autofahrer mit der Pfütze habe ich einige richtig böse Gedanken hinterher geschickt. Komisch irgendwie, dass der daraufhin ins Schleudern kam und mitten auf der Karl-Marx-Straße gegen einen Pfosten knallte. Schade aber auch. Als ich dann hinterm Rathaus Neukölln abbiegen musste, habe ich nur noch die Sirenen gehört, und irgendwelche Brüllereien. Fast bis zur Sonnenallee ging das.
Mai 8th, 2007 18:59
Also ein Roman, der nicht nur als Fortsetzung eines Vorgängers diesen selbst beinhaltet, sondern auch noch in sich den zweiten Roman der Hauptperson des ersten Romanes präsentiert und kommentiert – also wenn das nicht eine ganz megamäßige Intertextualität auf diversen Meta- und sonstigen Ebenen ist, dass es den Leser längelang hinschlagen lässt, Donnerwetter! Jetzt fehlt nur noch Franziska selbst als Romanfigur ihres eigenen Romans, also Figur und Autorin, der z.B. von den (ihren eigenen!) Figuren vorgeschlagen wird, wie die Handlung weitergehen könnte oder…?!
Mai 8th, 2007 19:30
Ich komme mir langsam vor wie in Hellzapoppin‘.
Aber da kriegten sich die beiden doch am Schluß, oder? Er jedenfalls kriegte irgend was, bei ihr war ich mir nie ganz sicher. Ich kriege aber ganz sich bei so viel Nachdenken-Müssen Hunger und Durst, und den, liebe Franziska, stille ich mit den Mitteln unserer kleinen Rentenkasse.
Du hast demnach die Wahl zwischen Altersversorgung und literarischem Gesundbrunnen oder Jungbrunnen..
Mai 8th, 2007 21:29
Ja, das sind die wunderbaren Möglichkeiten eines neuartigen Blogromans! Ich kann ihn löschen. Oder Susannes Ideen einbauen. Oder einen Link nach Albanien reinbasteln. Und mich sogar als Mordopfer anbieten, weil ich zu viel weiß! Das wäre mir dann aber nicht so recht.
;-)
Altersversorgung? Vergiss es doch. Lieber heute eine große Portion Eis! Dafür müsste es doch reichen, oder?
(Hellzapoppin‘ sagt mir ehrlich gesagt nix)
Mai 8th, 2007 23:44
Okay, Portion Eis statt Altersverorgung (-verortung, -verrohung, -verrohrung?) geht in Ordnung.
‚Hellzapoppin‘ ist ein Film von 1941, Hier ein Link. Netter Film, mit Revue in Revue im Film, handelnde Personen reden mit Kamera und Regisseur und Vorführer, absurde running gags, Fehler in der Handlung werden im Film direkt diskutiert und korrigiert usw., also eine recht abgedrehte Sache, aber nicht übel anzuschauen. Deutscher Titel: In der Hölle ist der Teufel los.
Mai 9th, 2007 09:22
Ah! Klingt nicht schlecht. Ich werde mir also massenhaft Fehler in der Handlung überlegen, die man dann korrigieren muss. Vielleicht so eine Art Suchspiel? Preis: Ein Besuch im Neuköllner Körnerpark mit mir; zum Beispiel.
(Strafe fürs Mitmachen?)
Mai 10th, 2007 10:43
Was geschieht mit einer Romanfigur, die ihren eigenen Autor umbringt? Vernichtet sie damit auch sich selbst? Wenn ja, zu welchem Zeitpunkt? Hat sie dann gelebt bis zu dem Zeitpunkt des Todes des Autors? Oder Hat sie dann nie gelebt? Aber dann gäbe es ja auch niemanden, der den Autor hätte umbringen können. Also…?!
Mai 10th, 2007 18:36
Spannend auch die Frage: Wer berichtet vom Tod des Autors durch die Romanfigur? Die Hinterbliebenen? Oder der Autor will aussteigen und schreibt als letzten Teil seine Ermordung. Der Mörder kann ja munter weiterleben – aber keiner erzählt mehr von ihm, tja Pech gehabt! Hätte er sich früher überlegen sollen.
Öhm.
Mai 11th, 2007 14:15
Nein, noch anders: er schrickt im letzten Moment vor dem Mord zurück, weil er begreift, dass er sich damit die eigene Lebensader abschneiden würde. Oder noch anders: Romanfiguren, Autor, alle ermorden einander, aber der Text erzählt sich einfach selbst weiter. Der Tod des Autors, ganz egal, es lebe der Text, der autonome, unsterbliche Text!
Mai 11th, 2007 22:40
Hurra!
Oder aber die Menschen überleben den Text und verbünden sich miteinander gegen ihn: Tony verkuckt sich in die hinreißende Autorin und entführt sie. Und der Text kuckt dumm aus der Wäsche. Es lebe die autonome, unsterbliche – öh – was jetzt?