Alles Theater

Wenn ich morgens mit der S-Bahn zur Arbeit fahre, ist das eine saubere Sache: Die Leute wollen ihre Ruhe, sie sind müde oder gereizt oder bereiten sich auf irgendwas vor. Das ist normal. Wenn ich aber nachmittags zurückfahre, sind häufig die Irren unterwegs. Heute zum Beispiel dieses Grüppchen mit Jugendlichen, die sich einen Spaß daraus machen, ihre Süßigkeiten aus dem Papierchen zu wickeln und dieses dann blitzschnell „unbemerkt“ hinter sich unters Volk zu werfen. Sehr witzig. Ich sehe einen von den dreien finster an und frage: Muss das sein? Worauf er natürlich erwidert: Ich wars nicht! Klar, war der Kollege.
Dann kommt der Typ mit dem Brief in den Wagen. Anzug, nicht übermäßig elegant, wahrscheinlich irgendwo gestrandet. Stellt sich in die Mitte des Wagens, es ist kein Sitzplatz mehr frei. Er sieht die anderen an, als wolle er um Beifall heischen. Zieht dann einen Briefumschlag rauf, reißt ihn demonstrativ auf, liest ihn zum Teil laut, aber man kriegt nur Fetzen mit. Was ich sehen kann, ist so ein offizielles Schreiben, Finanzamt oder Rentenbescheid, wie interessant. Der Kerl brabbelt noch weiter vor sich hin, als er schon seinen Sitzplatz neben mir gefunden hat. Auch hier: Kann er nicht einfach still sein?
Die Leute, die sich lautstark begrüßen, als sie sich zufällig nach langer Zeit wiedersehen, stören mich nicht. Auch der Hund des punkigen Typs nicht, riesig, schwarz, furcherregend und ängstlich winselnd. Nicht der Typ natürlich.
Auch das obligatorische lautstarke Telefonat der jungen Frau „Ich bin jetzt Neukölln“, wo wir doch gerade erst Südkreuz verlassen, geht an mir vorbei. Das höre ich jeden Tag. Aber die Mischung des Ganzen, in jeder Ecke der Hauch des Winterirrsinns, den finde ich doch ein bisschen anstrengend. Leute, wollt ihr euch nicht alle ein wenig zusammenreißen?

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