Und dann wird das Messer gezückt
Es ist voll in der U7, und ich presse noch einen Riesensack Heu (für die Schweinchen) an mich, als er einsteigt und seine sperrige Sporttasche auf den Boden stellt. Menschen stolpern darüber. Er entschuldigt sich sanft. Endlich kann er sich mir gegenüber hinsetzen und die Tasche unter den Beinen verstauen. Ein junger Mann, wohl Deutscher, kleiner Oberlippenbart (wer trägt denn noch so was?)
Er hält den Blick gesenkt. Alle sind müde, es ist gegen fünf Uhr nachmittags. Er nimmt ein kleines Paket hervor, etwas ist in braunes Packpapier geschlagen. Was wird er jetzt tun? Jeder starrt bemüht gleichgültig geradeaus. Auch ich beobachte ihn nur unauffällig. Seine Hände gleiten über das längliche Paket. Er scheint sich über einen Einkauf zu freuen. Ein Gummiband wird abgezogen. Das Papier vorsichtig aufgerollt. Dann nimmt er das erste Messer hervor, es ist ein kleines, leicht gebogenes, sicher praktisch fürs Gemüse. Er prüft es mit dem Daumen und scheint zufrieden. Als nächstes kommt ein größeres Messer dran, stark, effektiv, auch Fleisch kann es bestimmt gut kleinschneiden. Die Frau, die neben ihm steht, wirkt plötzlich starrer, irgendwie verkrampft. Sein Banknachbar, ein ältlicher Ausländer, sackt etwas in sich zusammen. Der Daumen gleitet wieder über die Klinge und ich stelle mir Blut vor. Er lächelt.
Die Messer werden wieder eingepackt. Hermannplatz: Er steigt aus.
Wie jetzt. Das wars? Ja. Keine Metzelei in der U-Bahn. Wir können wieder aufatmen. Noch einmal davongekommen.
September 6th, 2008 11:12
Ich hasse solche Szenen. Entweder ist das Gedankenlosigkeit von dem Herrn oder, wahrscheinlicher, der Genuss von fünf Minuten Machtgefühl, solange die Türen geschlossen sind.
September 6th, 2008 12:18
Ja, da bin ich ganz deiner Meinung.
Im Nachhinein hatte ich das Gefühl, es war eine Mischung aus beidem: Seht her, was ich für tolle Messer gekauft habe! Was könnte ich wohl Hübsches damit anstellen?
Das mag durchaus unbewusst gewesen sein. Trotzdem eklig.