Neukölln – von außen und von innen
Ich versuche mir vorzustellen, wie jemand diese Gegend empfindet, der ganz fremd ist. Vielleicht frisch vom Bodensee, mal Großstadtluft schnuppern. Was sieht man? Müll auf der Straße. Eine ausrangierte Matratze, offensichtlich einfach aus dem Fenster geschmissen. Hundehaufen (vorhin wieder einer reingetreten, der Arme). Dunkle Gestalten huschen unter der S-Bahn-Brücke Neukölln durch. Bloß nicht angesprochen werden. Zumindest jetzt um diese Tageszeit nicht! Bei Licht: Menschen, die ungewöhnliche Kleidung tragen. Denn das muss ich schon sagen: Man kann ja rumlaufen, wie man will. Fast auch machen, was man will. Solange es nicht zu sehr nervt, die anderen, meine ich.
Wahrscheinlich ist der Besucher frisch aus der Provinz entsetzt. Dazu noch die ganzen Gerüchte und Berichte über Neukölln! Nichts wie weg.
Dann betrachte ich meine Wohngegend mal mit meinen Augen, ohne panische Distanz: Okay, immer noch der Müll. Man sollte halt aufpassen, dass man in nichts reintritt. Ansonsten ignorieren, wie so vieles. Besoffene? Nicht ernst nehmen, die spülen nur ihren Frust runter und beißen nicht. Finstere Typen? Ach was. Allzu elegant sollte man sich hier wirklich nicht kleiden, overdressed is nich. Also: Verwandle dich auch in eine finstere Gestalt. Cool. Gelassen. Wenn nötig, sogar freundlich, um die Verschreckten zu beruhigen. Und dann merkt man, dass hier ganz normale Menschen leben. Die Mieten sind günstiger als woanders. Man kann billig einkaufen. Es ist alles ein bisschen bunter. Es gibt spannende Hinterhöfe, die ganz anders aussehen als die Fassade des Hauses. Und sicher gibt es auch irgendwo Kriminalität. Aber deshalb reagieren die Leute auch schneller, wenns nötig ist! (Neulich von den Schüssen in der Nogatstraße weiß ich nur aus der Zeitung. Man kriegt das nämlich nicht mit, wenn was passiert.) Gut, das häufige Tatütata von irgendwelchen Krankenwagen oder Polizeieinsätzen stört manchmal. Aber auch nicht wirklich.
Ehrlich, ich kann es noch eine Weile hier aushalten. Heute Richardplatz und das böhmische Dorf gesichtet, auch die Rixdorfer Schmiede: Sonntagsausflug. Anschließend Döner und türkischen Tee. Mit viel Zucker!