Archiv für Dezember 2006
Rote Karte
Sonntag, 03. Dezember 2006Ich finde das schön, dass jetzt mal Klartext gesprochen wird: Wer jetzt noch knausert oder typisch deutsche Miesepetrigkeit an den Tag legt, dem gehört die Rote Karte gezeigt! Jawoll! So sagt das ein wichtiger Politiker, und so denken zurzeit viele. Schluss mit traurig! Die Arbeitslosenquote geht runter. Die Mehrwertsteuer geht rauf. Alles saubere Gründe, jetzt loszustürzen und sich in das vorweihnachtliche Shopshopshop einzureihen. Was lese ich da von einer kaufberauschten Mutter? Eine Eisenbahn für ihren Sohn hat sie heute erstanden, für läppische 700 Euro! Na also, geht doch.
Ich finde das schön, wie gesagt. Was interessiert mich schon mein Kontostand vom Januar?
Finstere Gestalten der Nacht
Samstag, 02. Dezember 2006Es gibt Zeiten und Orte, an denen ich lieber nicht mit einer ängstlichen japanischen Reisegruppe losziehen würde. Freitagabend, acht Uhr S-Bahnhof Frankfurter Allee zum Beispiel! Das kann schon richtig furchterregend sein. Vielleicht ist es ja die wilde Mischung: eine Gruppe von riesigen, martialisch aussehenden Soldaten in Wochenendstimmung; Jugendliche in extrem kurzharigem Outfit, laut brüllend, offensichtlich im Gruppenrausch; fünfzehnjährige Mädchen, die sich so schrill herausgeputzt haben, dass ich mich wirklich frage, ob die Eltern das gesehen haben … Dazwischen alkoholumwehte abgestürzte Gestalten, erschöpfte Arbeiter auf dem Heimweg, verdreckt von harter Arbeit. In Neukölln steigen dann noch abenteuerlustige türkische Jugendliche ein, die kurz vorher offensichtlich in Parfüm gebadet haben und jetzt zu allem bereit sind. Was für ein Duftgemisch!
Ich halte mich im Hintergrund und bin froh, endlich in meinen vier Wänden verschwinden zu dürfen. Am nächsten Morgen: Alle sind verschwunden, der Spuk ist vorbei! Eine strahlende Dezembersonne bescheint eine friedliche Stadt. Na so was.