Farbe ins Land
Montag, 13. August 2007 20:06
Montag, 13. August 2007 20:06
Freitag, 27. Juli 2007 21:47
Da ich mich unbedingt von meinem Tunesienaufenthalt erholen muss, werde ich die nächsten zwei Wochen im Schwabenland verbringen. Ich kann ja dann hinterher so eine Art Vergleichsarbeit erstellen: Wo isst man besser, wo schwimmt man schöner?
Und tschüss!
Mittwoch, 25. Juli 2007 23:19
Zurück nach Deutschland! Es ist schon seltsam, wenn man morgens noch die tunesische Hitze spüren kann und dann abends im kühlen Berlin fröstelnd am Rechner sitzt und sich daran erinnert. Alles ist komisch! Selbst an meine Tastatur muss ich mich erst wieder gewöhnen, nachdem ich den Stress in Tunis überwunden habe.
Ich erzähle jetzt nichts von meiner nächtlichen Fahrt zum Flughafen von Tunis oder von meiner heutigen Alpenüberquerung, vom mickrigen Kuchen im Flieger und Menschenmassen in Milano beim Umsteigen; vom Kälteschock bei meiner Ankunft und von meinem ersten Döner wieder in der Heimat auch nicht. Ich war ja nun nicht monatelang unterwegs sondern nur zwei erfüllte Wochen! Was ich aber heute am frühen Abend noch brauchte, das war mein Abendspaziergang durch die Stadt; und wenn ich die Medina heute nicht haben konnte, so sollte es eben die Karl-Marx-Straße in Neukölln sein! Und oh Wunder: auch hier finde ich ja komische kleine Geschäfte mit Krimskrams; einen Wasserpfeifenladen; muslimische Männer, die am Straßenrand sitzen und ihr Schwätzchen halten; arabische Mütter, die ihre Kinder ankeifen, nur sagen hier die Kinder: Mama, ich will aber nicht … Übrigens klingt das Arabisch auf der Straße hier härter als in Tunesien, finde ich, dazu kommt noch das in meinen Ohren melodiösere Türkisch. Der (türkische) Gemüsehändler schäkert mit einer (deutschen) Kundin. Und ein paar abgestürzte (deutsche?) Typen sitzen am Balkan-Imbiss rum, die obligatorische Bierdose in der Hand. Ich besorge mir im türkischen Supermarkt Schafskäse fürs Abendessen.
Eine Stunde gebe ich mir für diesen Abendspaziergang und anschließend weiß ich: Hey, ich bin wieder zu Hause! Und Tunesien ist gar nicht mehr so fern.
Dienstag, 24. Juli 2007 12:08
So, heute ist mein letzter Tag hier, morgen in aller Frühe gehts zurück ins vielleicht etwas kühlere Berlin – hier sind etwa 44 Grad und die Leute sehen etwas unfrisch aus, wenn sie hier reinkommen. Es lebe die Klimaanlage!
Wenn ich so zurückblicke, möchte ich vielleicht zwei Dinge festhalten:
Um ein Land wirklich kennenzulernen, ist es am besten, sich allein zu bewegen; nur so kommen die Gespräche mit Unbekannten zustande, nur so will man selbst sich dem Fremden gegenüber wirklich öffnen. Sonst, mit Gruppe oder Familie, hat man ja immer jemanden zum Reden. Auch für die Einheimischen ist eine Gruppe, und wenn sie nur aus zweien besteht, etwas Geschlossenes.
Man sollte als Tourist die vielen Menschen nicht übersehen, die einem hier das Leben erleichtern. Es sind Menschen, die da an der Rezeption stehen, jeder mit seiner Lebensgeschichte, keine Uniformen. Am Wochenende konnte ich viele Europäer sehen, die das völlig vergessen. Auch die Taxifahrer wollen leben. Das gesetzliche Minimum schreibt ihnen ein Einkommen von 50 Cent für eine kurze Strecke vor – gebt ihnen Trinkgeld, Leute, denn davon kann man einfach nicht leben!
So, ich muss abbrechen. Später vielleicht noch mehr!
Montag, 23. Juli 2007 22:53
So, mein einziges freies Wochenende liegt hinter mir. Und was macht die eifrige Tunesienentdeckerin? Sie könnte in Tunis bleiben und am Computer rumhängen. Oder aber eine Einladung nach Sousse annehmen. „Sousse? Sie kennen Sousse noch nicht??“, wurde ich bisher ständig gefragt. „Oh, es ist wunderbar dort, man muss Sousse gesehen haben!“ Und so weiter. Gut, denke ich. Es dient ja auch der guten Sache, man kann Geschäftsverbindungen pflegen und vielleicht eine flüchtigen Blick aufs Meer werfen.
Okay. Ich sage dort zu und stelle mir vor, wie die Frau des Hauses nun emsig das Sofa im Eckchen freiräumt. Oder sowas in der Art, nur keine Umstände!
Mir wird ein Zug empfohlen, der besonders schnell ist und nur eine Klasse hat mit Sitzplatzgarantie. Klingt doch gut, man will es mit der Abenteuerlichkeit ja auch nicht übertreiben.
Am Bahnhof: Menschenmassen, die alle nach Sousse oder zumindest in Richtung Meer wollen. Ist schliesslich Samstag Nachmittag. Den empfohlenen Zug gibt es nicht und ich nehme einfach eine Karte für den nächsten; warte in der Halle, mein Buch hilft mir, die anderthalb Stunden zu überstehen.
Dann, zehn Minuten vor Abfahrt, trabe ich gelassen zum Zug und will meinen Platz einnehmen; denkste. Mir war nicht so richtig aufgefallen, dass ich eine Karte zweiter Klasse erstanden hatte, das ist wie in manchen Kinos: Man denkt, man hat einen Platz. Und dann steht man da wie blöd, sieht sich all die sitzenden Gestalten an und denkt: Wieso zum Henker bin ich nicht früher losgetrabt?
Das Abenteuer beginnt also im Stehen, aber bald kriege ich von einem netten Menschen einen Platz angeboten und die Fahrt ist ganz nett. Plaudereien mit den anderen, es ist lustig und unverkrampft.
Ankunft. Hier beginnt nun das Erlebnis der etwas anderen Art. Wenn ich dachte, ich könnte bescheiden irgendwo unterkriechen, so hatte ich mich getäuscht. Vom ersten Moment an werde ich förmlich auf Händen getragen. Blumen gleich im Auto, der Strauss muss ein Vermögen im trockenen Tunesien gekostet haben; anschliessend gehts ins Hotel – ja, Hotel, man hat ein Hotelzimmer für mich organisiert; ein Doppelzimmer, was anderes gabs nicht mehr, der Inhaber ein Cousin meines Gastgebers.
Allmählich wird mir das alles unheimlich, aber ich kann euch schon jetzt beruhigen, will ja jetzt nicht unnötig Spannung aufbauen: Nein, keiner fällt über mich her, ich habe das Zimmer ungestört ganz für mich!
Trotzdem. Auch Gastfreundschaft kann quälen, obwohl der aufmerksame und ständig lächelnde Gastgeber das nicht ahnt. Hier treffen Welten aufeinander! Ich will es kurz machen, aber es muss raus, sonst platze ich:
Ich mag es nicht, wenn ich beim Essen mehr und noch mehr essen muss, als ich will.
Ich mag es nicht, wenn man mich ständig für jede Erklärung am Arm berührt, meine Hüfte, um mir die Richtung beim Stadtbummel anzuzeigen.
Ich mag es nicht, wenn ich unbedingt von seinem Bier probieren muss und von seiner Thunfischpizza, zum Henker; und ich mag es nicht, wenn ich die Ehefrau überhaupt nicht zu Gesicht kriege und stattdessen ununterbrochen nur mit dem Gastgeber zusammenhocken muss; selbst beim Schwimmen kann ich keine richtigen Schwimmzüge machen, so sehr hält er sich in meiner Nähe auf. Sonntagmittag beschliesse ich, schon um vier nach Tunis zurückzufahren; ich bin inzwischen innerlich so angespannt, dass ich meinem weiterhin strahlenden Gastgeber sonst ins Gesicht gesprungen wäre. Er wundert sich über den frühen Aufbruch und zeigt grosse Traurigkeit; ob ich ihn und Sousse auch ja nicht vergessen werde … nein, sicher nicht.
Ich weiss, ich bin ungerecht und ein schlechter, undankbarer Gast. Aber das ist mir schlichtweg zu viel des Guten! Und auch wenn mir meine vertrauten Ratgeber im Hotel versichern, das sei normal, das ist tunesische Gastfreundschaft: Ohne mich, für mich ist das nicht mehr normal. Aber ich höre jetzt auf zu lästern. Pech eben.
Und Sousse? Ich war in dem Touristennest. Durch die Hotellobby waberten dicke Tanten, blond gefärbte Europäerinnen, mürrisch dreinblickende Jugendliche; im Restaurant abends, lauer Wind, laute Musik, das Übliche eben: Am Nebentisch knutscht die junge Deutsche wild mit einem jungen Tunesier; als der kurz verschwindet, taucht ein anderer auf, setzt sich neben sie und sie begrabscht ihn munter. Wohin bin ich hier geraten? Die jungen Einheimischen sind auf Frauenfang, die Touristinnen wollen ihren Spass, die Familien bewegen sich zwischen Pool (auf den ich von meinem Balkon aus blicken durfte) und Strand, wo die Liegen ordentlich nebeneinander aufgereiht stehen; keiner hier von diesen internationalen Massen scheint etwas von Tunesien gesehen zu haben; sie stopfen sich voll; und vielleicht lästern sie über die aufdringlichen Tunesier, weiss der Henker. Ich halte so etwas nicht aus! Das ist nicht Tunesien.
Als ich Sonntagnachmittag endlich im Zug sitze (den wirklich allerletzten Sitzplatz ergattert, da gewisse Leute sich nicht sonderlich beeilen wollten), da atme ich auf und bin endlich wieder ich selbst. Niemand sagt mir mehr, was ich tun oder essen soll und mein Nachbar lässt mich völlig unbeachtet. Danke. Als ich endlich wieder in mein hübsches kleines Hotel im jüdischen Viertel von Tunis komme und herzlich begrüsst werde, da bin ich heilfroh, wieder „zu Hause“ zu sein!
(Keine Sorge, Mittwoch bin ich wieder in Neukölln ;-)
Samstag, 21. Juli 2007 10:11
Für mich sind all diese Begegnungen hier in Tunesien wie Teile eines Mosaiks: Es wird mit der Zeit immer bunter und grösser und ich betrachte es fasziniert!
Da ist die junge Frau hier im Büro, die mir ihr Herz ausschüttet; wie sie nach Deutschland hat gehen wollen, zu ihrer Tante. Aber das Visum wurde nicht gewährt. Sie ist intelligent und richtig nett und wir reden nach der Arbeit noch über die Vorurteile in der Welt allem Arabischen gegenüber. Als wäre arabisch=muslimisch=terroristisch. Bescheuert.
Der Hotelangestellte unten an der Rezeption, der in allen Lagen Rat weiss und mir hilft. Er empört sich zum Beispiel über den gestrigen Teppichhändler, aber ich lache nur! Ist doch witzig. Aber mein Helfer ist besorgt um mich, das ist lieb. Er will, dass man sich benimmt.
Da ist der Mathelehrer eines Gymnasiums, der mir erzählt, dass er jeden Morgen um halb fünf aufsteht, um zu beten. Er ist witzig und gemütlich und hat einen zehnjährigen Sohn, wie ich. Ich soll ihn nicht vergessen, meint er munter. Ausserdem sagt er, dass er als Lehrer sehr streng sei; wir lachen viel.
Der Direktor dieses Gymnasiums, mit dem ich mich über Gott und die Welt unterhalten kann. Am liebsten sitzt er wie ein Hausmeister in kurzen Hosen vor der Schule und liest Zeitung. Was er zu sagen hat, gefällt mir. In diesen Gesprächen merke ich mal wieder, wie wenig Nationalitäten und Sprachen bedeuten, der Mensch zählt!
Mein verrückter Teppichhändler fällt mir wieder ein, ausgerechnet Ali heisst er. Auch er lebt voller Lust eben sein Leben (und wenn er morgens um fünf aufwacht und Lust hat, dann sagt er einfach: komm, Frau! Und sie kommt.) Ich bin nicht empört über seine Vertraulichkeit, er ist eben, wie er ist! Danach trinkt er übrigens immer seinen Kaffee und beginnt zufrieden mit der Arbeit. Und seine Frau schaut keinen anderen Mann an! Das glaube ich ihm.
Der uralte Schneider fällt mir wieder ein, der an der Nähmaschine von 1917 sitzt, eine Singer, so schwarz und schwer, dass man bei ihrem Anblick ins Träumen kommen kann. Wo habe ich so ein Teil zum letzten Mal gesehen? Als wir als Kinder auf dem Dachboden der Grossmutter meiner Freundin Susi herumspielten, da stand sie. Mit den Füssen zu bewegen. War uns natürlich streng verboten und hat super Spass gemacht!
Im Räumchen des Schneiders gibt es übrigens eine alte Kommode. Mitten bei der Arbeit, das Bügeleisen heizt gerade auf, da öffnet er eine Schublade und holt alte Modebilder aus den Fünfzigern raus, elegante Anzüge und Kleider, von Hand gezeichet; Mensch, lief meine Mutter als junge Frau nicht so rum? Es ist schön.