Andreas 5
Kurz vor dem Einschlafen (22.30 Uhr, wie immer) stand Andreas noch einmal am Fenster und starrte auf die Straße. Wie hieß die Mieterin von unten nochmal? N. Müller. Nicht gerade dramatisch. Wofür stand wohl das N? Nina, das würde ihm gefallen. Seine erste Sandkastenliebe hieß Nina. Na eigentlich war er ihre erste Sandkastenliebe gewesen. Er hatte es damals mit einem wohligen Schauer über sich ergehen lassen, dass sie immer wieder so eigenartige Vorschläge anbrachte. „Du zeigst mir deinen und ich zeig dir meine“ oder so etwas. Ungute Erinnerungen an lange Gespräche mit Erzieherinnen und Eltern erwachten, wurden aber schnell verdrängt.
Nina von Müllersdorf, die knallharte/coole/ungewöhnliche Kommissarin, brauchte abends noch mal den besonderen Kick vor dem Einschlafen. In der Kneipe unten kannte man sie schon und freute sich, wenn sie aufkreuzte. Wer würde an diesem Abend das Glück haben? In solchen Zeiten vergaß sie gerne ihre adlige Herkunft. Was sie dann brauchte, war schlicht und einfach Sex.
Er runzelte die Stirn. Wie machte man das eigentlich, jemanden abschleppen? Sprach man/frau jemanden an und sagte dann: Hey, hättste nich Lust? Oder gab es noch die gute alte Briefmarkensammlung? Wohl kaum. CD-Sammlung vielleicht, oder jetzt wieder richtige Schallplatten. Wie Nina ihn wohl finden würde?
An jenem Abend war ein Neuer in der Kneipe: Eher der intellektuelle Typ, für den Nina eine gewisse Schwäche hatte. Sie setzte sich neben ihn und bestellte sich ein Bier.
Andreas wurde unruhig. Wie würde eine Frau ihn im Schlafzimmer finden? Ginge man zu ihm oder zu ihr? Er sah sich um. Nicht sonderlich einladend. Dann zog er sich aus und stellte sich vor den großen Schrankspiegel. Wohl auch nicht sonderlich einladend.