Andreas 14
Seit etwa zwei Tagen hatte Andreas nun Zahnschmerzen. Nicht solche von der vergänglichen Sorte, sondern diese hartnäckigen, gemeinen Schmerzen, die selbst bei harmlosen Zwischendurch-Ostereiern (er hielt sich nicht an die heilige „erst an Ostern“-Regel) seinen Kiefer durchbohrten und die Augen zum Tränen brachten. Kurz: Seine Stimmung war auf dem Tiefpunkt. Während er am späten Nachmittag noch die Sachkundearbeit „Über den Wasserkreislauf“ der 4a korrigierte und nur immer wieder fassungslos den Kopf schüttelte, bastelte er im Geiste weiter an seinem Jahrhundertwerk. Auf die Kommissarin war er dabei genauso schlecht zu sprechen wie auf das nächste Mordopfer. Sollten sie doch besser aufpassen. Und sollten sie doch etwas netter zu ihm sein, verdammt! Eins war ihm dabei klar: Auch die „gute Seite“ musste etwas Mieses zu bieten haben. Und der Mörder würde einen guten Grund haben für all die Scheußlichkeiten, die er mit den Opfern anstellte (etwas lästig waren ihm da noch die technischen Details). Besonders reizvoll aber war die zufällige oder vom Mörder herbeigeführte Begegnung beider Seiten. Nina würde keine Ahnung haben! Überhaupt, Nina … seine schlechte Laune sank noch um ein paar Grad.
Sie beschloss, endlich einmal auszuspannen. Raus aus der Stadt, weg von Lärm und Blutspritzern an den Wänden! Deshalb nahm sie an jenem warmen Märztag die S-Bahn Richtung Süden, stieg Schlachtensee aus, obwohl der Name ihr aus beruflichen Gründen widerstrebte. Und ging hinunter an den See. Ja! Frische Luft. Nur wenige Jogger und Hundebesitzer. Die Ruhe, die sie sich ersehnt hatte und die sie auch dringend brauchte, um einmal in Ruhe über den Fall nachzudenken. Sie beschloss, heute den längeren Weg zu gehen und wandte sich nach links.
So ganz konnte Andreas sich nicht konzentrieren. Was schrieben die Bengel da über den Wasserkreislauf? „In den Bergen sammelt sich das Wasser, damit Sponge-Bob uns besuchen kann“. Die hatten sie ja nicht alle! Na warte Freundchen, wenn die Eltern erstmal die Note sehen, wird dir das Lachen schon vergehen. Wo war ich? Schlachtensee, ach ja. Da war er doch im Sommer mal gewesen und hatte am Ufer ein Buch gelesen, genau. Und überall diese dreisten Schwimmer …
Sie ging durch den Wald, immer am Wasser entlang, zog das Haarband aus ihrem Haar und schüttelte dann ihre rote Mähne. War das erst im letzten September gewesen, als sie sich hier nackt in den See hatte gleiten lassen? Es war traumhaft gewesen, der spiegelglatte See, die fernen Stimmen vom Ufer und aus den Ruderbooten. Der letzte heiße Tag damals. Heute hing nicht mehr diese Sinnlichkeit in der Luft und sie fing an zu laufen. Immer schneller. Fast hätte sie dabei einen Mann umgerannt, der völlig bewegungslos am Ufer stand und aufs Wasser starrte. „Tschuldigung!“, rief sie nur und rannte weiter. Komischer Typ, ging es ihr kurz durch den Kopf. Hatte etwas Martialisches an sich, fast wie ein Samurai aus alter Zeit. Das musste an seiner ulkigen Kleidung liegen, dieses lange Gewand … na was solls! Endlich kam sie zum Gartenlokal und ließ sich auf eine freie Bank plumpsen. Nach einer Weile erhob sie sich dann und holte sich ein Stück Kuchen und einen Kaffee.
Andreas bekam langsam Hunger und ging zum Kühlschrank. Mist, nichts Brauchbares, nur Margarine, ein Rest von der Leberwurst und zwei Tomaten, die nicht mehr so taufrisch aussahen. Dann eben nicht.
Lustvoll versenkte sie ihre Gabel in den Kuchen, hob den Kopf – und blickte direkt auf jenen Mann, den sie zuvor fast über den Haufen gerannt hätte. Was war nur mit dem? Er hatte sich ebenfalls an einen der Tische gesetzt, aß aber nichts. Er schien völlig in sich gekehrt, wie in Trance. Na ja, Berlin war ja voll von Spinnern. Jetzt war der Kuchen dran.
Der Mann stand plötzlich auf und kam auf sie zu.
Und dann? Andreas war sich unschlüssig. Ein einsamer Rächer tauchte vor seinem geistigen Auge auf, und er fühlte sich kurz verbunden mit ihm. Dann setzten wieder mit Macht die Zahnschmerzen ein und er ging zum Medizinschränkchen im Bad.
März 30th, 2007 23:40
ach, um die Brötchen mach dir keine Sorgen, es sind jetzt schon 2,27€ im Klingelbeutel. Ich traf eine eingefleischte Lehrerhasserin, die nach Worten bezahlen wird. Also schön ranhalten!
(O, scusa, nur 1,27€ sehe ich gerade, manno, ich kann einfach nicht mit Geld umgehen, und diesem Haarband konte ich nicht widerstehen!)
März 31st, 2007 11:08
Och nöö! Und dann noch für ein blödes Haarband, schluchz. Nimm doch einfach Gummibänder oder Strippen aus der Schublade!
Es geht hier schließlich um das Gnadenbrot für eine begnadete Schreiberin.
;-O