Andreas 15

Außerdem galt es, den Leser in die Irre zu führen. Der wollte das ja geradezu! Einerseits musste er sich also den ganzen Kommissaren überlegen fühlen und jedem im Geiste immer wieder zurufen wollen: Halt, dreh um! Sieh dir den doch noch mal an, das war der Bösewicht!
Andererseits muss am Schluss eine solche Überraschung kommen, dass der Leser (mit Leserinnen beschäftigte sich Andreas weniger) völlig verblüfft das Buch zuschlägt, sich zurücklehnt und nochmal Schritt für Schritt rekapituliert, wo ihm der entscheidende Hinweise entgangen sein mag. Dachte der angehende Bestsellerverfasser, während er seine samstägliche Einkaufsliste erstellte. Dabei fiel ihm ein, dass Sonntag der 1. April war. Pech für seine Schüler! Endlich einmal ein Jahr ohne diese obligatorischen Scherze wie „Herr Lehrer, neben Ihrem Schuh liegt eine tote Maus“ und so ein Mist. Er hatte das nie ausstehen können, schon als Kind nicht. Seine Mutter hatte ihm dann immer ermunternd auf die Schultern geklopft und gesagt: „Nu mach doch auch mal was Lustiges, Andilein, is ja ein Trauerspiel mit dir. Übrigens, habe ich dir eigentlich schon gesagt, dass wir dich damals adoptiert haben? Drum kommst du so gar nicht nach uns, mein Kleiner!“ Und sie hatte sich dann vor Lachen ausgeschüttet, als sie seine schreckgeweiteten Augen gesehen hatte.

Bei der Sonderkonferenz saßen sie zunächst alle schweigend. Brönninger glotzte aus dem Fenster und faselte etwas von Frühling. Erwin Wergel, der die Sitzung heute leitete, hatte auf dem Tisch noch einmal all die entsetzlichen Bilder ausgebreitet, die die fünf Morde dokumentierten. Alle waren blitzschnell durchgeführt worden. Mit einer Klinge, die man im Alltag nicht finden konnte. Und alle hatten sie etwas von einer mittelalterlichen Hinrichtung. Nina musste plötzlich wieder an den Fremden denken, der gestern vor ihr gestanden hatte. Als wollte er ihr etwas sagen, hatte er ihr in die Augen gestarrt. Und dann war er verschwunden und hatte sie mit dem bekemmenden Gefühl, etwas übersehen zu haben, zurückgelassen.

Andreas ärgerte sich: Er hatte übersehen, dass er zur Post hätte gehen sollen, das übliche Päckchen an seine Mutter. Und heute würde es diese kilometerlange Schlange geben, wie immer am Monatsende und -anfang. Mist. Er nahm seine Jacke.

2 Kommentare zu “Andreas 15”

  1. SuMuze
    März 31st, 2007 15:04
    1

    Neuester Stand: 3,27€ !!!!!!
    (Aber die Teuerungsrate wird es wieder auffressen, die Elende..)

  2. Franziska
    April 1st, 2007 20:49
    2

    Hoffnungsschimmer über Neukölln …