Andreas 16
An jenem Sonntag fühlte Andreas sich krank. Er blieb daher den ganzen Tag im Bett, starrte in ein Buch oder aus dem Fenster und bedauerte sich. Wenn seine Mutter jetzt hier wäre, ja, die hätte ihm Tee gemacht und „Krankenkekschen“, wie sie die immer genannt hatte. „Hier Andilein, damit du schnell wieder gesund wirst.“ Trübselig dreht er sich zur Seite, Blick auf die braune Schrankwand. Oder diese Nina von unten. Jung und frisch, wie die war, könnte sie ihm doch auch einen Apfel schneiden oder so etwas. Aber nein, mit der hatte er es sich ja verdorben. Mist.
Fieber hatte er nicht direkt. Aber diese Müdigkeit und der Husten. Und morgen Vertretung in der Dritten, grässliche Klasse.
Sein Werk. Bisher hatte er sich noch keine richtigen Gedanken über den Anfang gemacht. Der war das Wichtigste. Spannend, damit das Buch nicht schon in der Buchhandlung wieder zugeschlagen wurde. Am besten aus der Sicht des Mörders, damit der Leser gleich einen Vorsprung der Polizei gegenüber hatte. Und finster, ja. Vielversprechend: der Leser musste sich mit der Erwartung eines ekelhaften Mordes wohlig zurücklehnen dürfen.
Er stand vor der Wand mit den Schwertern und wusste endlich, was zu tun war. All die Jahre der Meditation hatten nur der Vorbereitung gedient. Nun war die Zeit der Rache gekommen.
Ach nein, nicht zu dramatisch. Eher einfühlsam, das kam besser.
Ein Freund von japanischen Schwertern wäre bei diesem Anblick wahrscheinlich in andächtiges Schweigen gefallen. Er aber war es gewohnt, Tag für Tag die Schläge zu üben, die eines Tages einem unwürdigen Leben ein Ende bereiten würden.
Schon als Kind deutscher Eltern hatte er in Japan die Schnelligkeit bewundert, mit der dort die wunderbaren Waffen gehandhabt wurden.
Andreas ging in die Küche, nahm sich das Gemüsemesser und schnitt sich seinen Apfel. Dabei rutschte ihm das Teil auch noch aus und er bekam einen ziemlich tiefen Schnitt ab. Heute ging aber auch alles schief! Pflaster. Gab es eigentlich noch Samurai in Japan? Oder hieß das dann Samurais? Er würde sich noch einiges anlesen müssen.