Andreas 17

Während er versuchte, im Klassenzimmer für Ruhe zu sorgen, überlegte Andreas, wie er das Problem mit den Leichen lösen konnte. Klein-Angie, eigentlich Angélique, biss ihrem Nachbarn Marvin ins Bein und der heulte laut auf. Gleich dahinter versuchte Jean-Paul, also Paulchen, seinen Füller über seinem Heft auszupressen. Seine Hose und das Gesicht hatten schon einiges abbekommen. Warum gaben diese Eltern ihren Kindern eigentlich so idiotische Namen? Von der Erziehung ganz zu schweigen.
Die Leichen müssten gefunden und identifiziert werden. Unappetitliche Einzelheiten aus der Gerichtsmedizin waren der unbedingte Knaller! Es gab da Experten, die konnten anhand der Käfer im Magen des Toten feststellen, wie lange der tot war, wo er gelegen hatte und vielleicht sogar, welche köstliche Speise er vor seinem Tod noch zu sich genommen hatte. Ekelhaft. Und faszinierend, jedenfalls für den eingefleischten Krimileser. Andreas schrieb eine Reihe von Zahlen für seine lieben Schüler an die Tafel und grübelte weiter.

Der Gerichtsmediziner Alfons Zimmerer sah an diesem Tag einfach nur müde aus. Noch nie hatte man ihm eine solchen Leiche vorgelegt! Die letzten Stunden hatte er mit der Obduktion zugebracht. Jetzt saß er mit zwei Kommissaren in der Kneipe, und das Bier lockerte seine Zunge. Nina, die sich noch nicht an derlei Details hatte gewöhnen können, stellte ihr Glas ab und schien mit einem Mal keinen Appetit mehr zu haben.

Weiter kam Andreas nicht mit seinen Gedanken. Gerade hatte Abdallah seinem Vordermann den Inhalt seines Anspitzers in den Kragen geschoben, was die meisten sehr lustig fanden, nicht aber Ben, der sich den Pullover vom Körper riss. Warum in drei Teufels Namen war er damals bloß Lehrer geworden? Beamter auf dem Standesamt, das wärs doch gewesen! Ruhig und positiv und meistens ohne Kinder. Aber seine Mutter hatte ihm ja zugeredet. Nettes Studium, hinterher ausgesorgt und immer die Jugend um sich … pah!
Leichenstarre. Fäulnisgase. Wundrand. Das waren doch hübsche Worte, um den Bericht des Pathologen aufzupeppen. Dumm nur, dass sein Mörder ein disziplinierter Möchtegernsamurai sein sollte, das hatte er ganz vergessen! Mal sehn …

An diesem Tag war der Gerichtsmediziner Albert Zimmerlein richtig guter Dinge. „Leute, so eine Leiche könnt ihr mir öfter vorbeibringen!“, meinte er grinsend in der Kneipe, während er Nina und ihrem Kollegen zuprostete. „Saubere Arbeit, wirklich! Klassischer Schnitt, Kopf ab, ohne die Waffe abzusetzen. Muss ein echt scharfes Teil gewesen sein.“ „Wie jetzt, scharf?“, wagte Nina ihn zu unterbrechen. Normalerweise mochte er das nicht. „Ein absolut scharfes Messer oder Schwert, würde ich sagen. Da muss einer noch stundenlang nach dem Kauf dran rumgefeilt haben!“ Verblüfft griff nun auch Nina wieder zu ihrem Campari Orange und strich sich dabei eine rote Strähne aus dem Gesicht. „So scharf wie das Schwert eines Samurai?“, flüsterte sie dann, und es war, als lichte sich ein Vorhang in ihrem Inneren. Das war es!

Leider merkte Andreas nicht, wie sich der kleine Albano hinter dem Vorhang am Fenster hochhangelte. Doch die Folgen dieser Unternehmung sind wieder eine andere Geschichte.

2 Kommentare zu “Andreas 17”

  1. SuMuze
    April 3rd, 2007 00:46
    1

    o, ein cliff-hanger, wow, du läßt aber auch nichts aus. Aktueller Stand 2,17€, ich brauchte Verbandmull, tut mir leid. Diese Tippen geht auf die Fingerspitzen. Mit dickem Mull drum rum gewickelt tippt’s sich nun viel gefühlvoller, und du kannst auch unappetitliche Dinge anfassen wie Leichen oder den vergessenen Käse hinten im Kühlschrank!

  2. Franziska
    April 3rd, 2007 17:34
    2

    Iih, was liegt denn bei dir alles rum?? Da würde ich mir auch die Finger einwickeln!
    (Frechgrins in Berlin)