Andreas 30

Er starrte auf den Bildschirm seines Fernsehers und hatte plötzlich überhaupt keine Lust mehr, seine Heldenhaftigkeit zu erproben. Was sah er da? Schlimmster Amoklauf in den USA, 23-jähriger koreanischer Student durchgedreht? Andreas stellte seinen Fencheltee zur Seite und ging in die Küche: nachsehen, ob ganz zufällig eine Flasche Bier in seinem Kühlschrank gelandet war. Das hätte ihm jetzt gut getan. Stattdessen versuchte er sich mit seinen Heuschnupfentropfen zu trösten. Vielleicht dämpften sie ein bisschen das Böse dieser Welt. Wenigstens das winzig kleine.

Katastrophensitzung im Kommissariat. Alle waren sie gekommen, und alle starrten nun Nina an, die eine Stunde zuvor nervös behauptet hatte, etwas über den „Schwerträcher“ zu wissen. Eckart bohrte seinen Bleistift in den Tisch und gab sich betont desinteressiert. Einige glotzten aus dem Fenster. Schließlich, als langsam Ruhe eingekehrt war, erhob sie sich und ging nach vorne. Sah sie alle an und klatschte dann einmal und triumhierend in die Hände. „Semmelmayr, Sie können jetzt reinkommen!“ Und herein kam ein rundlicher, schweißgebadeter Diener des Staates, der ein enormes japanisches Schwert trug, das er schließlich schnaufend auf den Tisch legte. Ein Murmeln ging durch den Raum – das hatte keiner erwartet! Nina von Müllersdorf hatte also beschlossen, die Fäden in die Hand zu nehmen. Beim Anblick der mächtigen Waffe rutschte Eckarts Bleistift aus und bescherte jenes wundervolle Quietschen, das man von der Lehrertafel kennt …

Diese Vorstellung tat Andreas gut. Lehrertafeln! Da war er doch mal ganz in seinem Element, mit kreischender Kreide und so. Aber was sollte Nina eigentlich mit dem blöden Schwert?

5 Kommentare zu “Andreas 30”

  1. SuMuze
    April 18th, 2007 23:21
    1

    „Sie legte ein enormes japanisches Samuraischwert auf den Tisch, das sie vorher darunter verstaut hatte, und ein Murmeln ging durch den Raum.“

    Also das kann ich mir nicht so richtig lebendig vorstellen!

    Bückt sie sich, kriecht unter den Tisch, um das Schwert (das sich dabei bestimmt verklemmt, tun Schwerter immer) heraus zu zerren und dann auf den Tisch tu legen (scheppernd, vielleicht, weil sie sich bestimt dabei auch nich geschnitten hat).

    Nö, das macht doch den Effekt kaputt (wie schreibt sich eigentlich ‚kaputt‘, so?). Also am besten wäre es, sie zieht sich das Schwert irgendwie hinter dem Rücken weg oder heraus (wie diese nach Nußknackern aussehenden Männer in den Eastern, die sich immer – für mich Kurzsichtige – die Schwerte aus ihren Haarknoten zu ziehen scheinen) und donnert es auf den Tisch. Daß sogar Eckart (ach was für ein Name!) der Bleistift in der Tischplatte gefriert. Und die Fensterglotzer sich an den eigenen Augäpfeln verschlucken. Jawoll. Und dann verliest sie ihre Kündigung oder doch wenigstens ihren Antrag auf Erziehungsjahr oder Schwangerschaftsurlaub.

    Das wäre schön. Ja. Mach das doch so. Bitte Bitte!
    Ach, was rede ich, mach’s, wie du willst, ist ja auch deine Geschichte. Aber schön wär’s schon..

  2. Franziska
    April 19th, 2007 22:05
    2

    Ja, ich hatte mir das eigentlich auch schwungvoller vorgestellt und das „Hervorholen“ erst später eingebaut, als mir klar wurde: Na irgendwo muss sie ja erst das Schwert deponieren. Hm, wie macht man das, ohne den Schwung kaputt zu machen? Sie bückte sich, wobei sie schmerzvoll bemerkte, dass sie keinen Karatekurs am Vorabend hätte besuchen sollen, zerrte ächzend das olle Ding hervor … auch nö. Da gefällt mir das Erziehungsjahr schon erheblich besser! Mal sehn …

  3. Franziska
    April 19th, 2007 22:25
    3

    Ich habs mal ein bisschen umgebastelt!

  4. SuMuze
    April 20th, 2007 00:32
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    Ja!! Prima, viel besser als meine Idee.
    Nur hier, der Satz: „Sie griff lässig hinter die Garderobe legte mit einem Mal ein enormes japanisches Samuraischwert auf den Tisch.“
    Den mußt du dir nochmal angucken. Ich sahe doch, so ein Schwert ist sperrig, hihi.
    Aber das mit der Tafel ist schön!

  5. Franziska
    April 21st, 2007 00:01
    5

    Grins … haste Recht. Ah, ich habe eine Idee!
    Wozu schleppen, wenn man (frau) schleppen lassen kann?