Und heute: Die Oranienburger runter!
Wenn man sich an einem beliebigen elften September ganz doll langweilt, kann man sich ja mal eben zwanzig Italiener unter den Arm klemmen und die Oranienburger Straße erkunden. Nehmen wir also, damit die Optik stimmt, eine muntere Gruppe mit Achtzehnjährigen und gehen als Erstes ins Tacheles. Was, noch nicht dagewesen? Hier kommt eine sonst fast ausgestorbene Szenestimmung auf, Hausbesetzertreppenhaus trifft auf Hippiehinterhof mit Lagerfeuer und Rockmusik. Wir steigen die Treppen hoch und mein Grüppchen wirft zweifelnde Blicke umher. Will sie uns das hier wirklich zeigen? Aber es gefällt ihnen! Verschrobene Galerien hoffen auf einen kleinen Verkauf, während die lautstark Italienisch blubbernde Gruppe überall Fotos schießt und aus dem Fenster schaut. Nun denn, erstes Ausflugsziel zufriedenstellend.
Wir schlappen die Straße weiter; noch sind keine der dort nächtens aktiven Damen zu sehen, schade irgendwie. Ich finde deren Klamotten immer so schön schrill, außerdem gehören sie einfach zum Ambiente. Dafür werfen alle ein paar ehrfürchtige Blicke auf das alte und unglaublich mächtige Postfuhramt. Meine Güte, ist das aber auch groß. Vorbei an der wunderschönen Synagoge, wieder einmal von Touristen belagert. Ein paar Polizisten stehen auch rum, wie üblich. Weiter. Den Monbijoupark lassen wir einfach mal rechts liegen, ist ja nun nicht soo spannend. Dafür aber die Hackeschen Höfe! Bevor alle schon etwas ermüdeten Gestalten in die Gegend spritzen können, machen wir eine Zeit aus; und schon düsen sie los. Und es lohnt sich, die Winkel dieser restaurierten Höfe zu bekucken, auch wenn man sich etwas mühsam an den ältlichen Bayerinnen und staunenden Japanern vorbeischieben muss. Andenkenläden mit Ampelmännchen bieten sogar Nudeln in Ampelmännchenform an, das ist doch was!
Ich gönne mir statt eines überteuerten T-Shirts lieber ein überteuertes Eis mit Schokoladensoße, die erst heiß ist und dann neben dem Eis erstarrt, dermaßen köstlich, dass ich meine lieben Italiener leider vernachlässigen muss. Andächtiges Löffeln. Karamel, Vanille, Keksstückchen, diese Soße … was, ihr wollt nicht noch mehr davon hören? Tschuldigung. Nachdem wir nur fünfzehn Minuten auf die zwei Letzten warten mussten, gehts weiter an unglaublich schicken, teuren, schönen Geschäften und Restaurants vorbei zum Alex. Ein italienischer Jüngling meint, das sei ja wohl die absolut schönste Gegend von Berlin, warum man ihm das bisher vorenthalten habe! Nun. Ja. Ich grinse nur. Seit fünf Tagen sind sie nun in Berlin; Recht hat er!
Unter der Kugel des Fernsehturms (dicke Klumpenwolken mit Sonne und blauem Himmel dahinter) trennen sich schließlich unsere Wege. Die meisten nehmen den Bus 100 und ziehen sich noch eine Portion Unter den Linden rein. Ich aber fahre zufrieden heim nach Neukölln zur wohlverdienten Kartoffelsuppe. Ganz unschick, aber lecker.