Und am Weltkindertag in den Britzer Garten – nicht zu den Massen
Was macht denn die arme Neuköllner Familie, wenn sie Sehnsucht nach Grün hat? Sie kann zum Beispiel in den Britzer Garten fahren, eine ehemalige BUGA. Man muss sich nur den widerstrebenden Zehnjährigen unter den Arm klemmen (zehn Meter hinter unserem Haus heißt es dann schon „Können wir jetzt wieder umdrehen?“) und los gehts.
Der Park kostet Eintritt, dafür hat er den Vorteil, dass man weder in Hundehaufen tritt noch wilden Fahradfahrern ausweichen muss. Himmlisch! Nichts gegen Hunde, aber hier in Berlin – nee. Als Erstes möchten wir von der Parkeisenbahn ins Parkinnere gebracht werden. Sonne pur auf der Bank. Doch leider ist der kleine Zug gerammelt voll mit grimmigen Altchen, die auch wirklich keinen Zentimeter rücken wollen. Okay, wir laufen. Soll ja gesund sein, selbst für muffige Zehnjährige.
Vorbei an den Schäfchen, die eifrig mit Eicheln gefüttert werden (nicht von uns) kommen wir zu einer Drachen-Bastelstelle. Prima Idee, denkt die Mutter. Keine Lust, denkt der Sohn. Gut, weiter durch einen winzigen, verwunschenen Wald. Allmählich entspannen wir uns, der Großstadtmief fällt ab. Weiter hinten die Esel in ihrem Gehege werden kurz begrüßt und gestreichelt. Die Ziegen und Enten nur beäugt. Dann gelangen wir zum Wasserspielplatz, ein echtes Highlight für Inhaber von Fünfjährigen mit Wasserliebe. Wir setzen uns nach Verzehr eines Germknödels mit Vanillesoße und Mohn mit Pflaumenfüllung im Knödel auf eine der Schleusen. Erste Lesepause; bloß nicht spielen … Obwohl der grimmige Zehnjährige nicht umhin kann, zwischendurch auch ein paar Schleusen zu testen, seine Schuhe auszuziehen und mit Wasser zu benetzen und überhaupt sich langsam wie ein Kind zu benehmen. Nichts dagegen!
Nächste Station: Der riesige Hügel, von dem aus die Drachen gestartet werden. Die Sonne leuchtet spätsommerlich, überall liegt man im Gras, wir dann auch, Gelächter und Rufen … Unten der See ist zu sehen, einige Drachen fliegen sogar, und wir lesen, bis sich die Jugend dazu entschließt, den Hügel wieder und wieder runterzurollen. Ich soll auch mal, und widerstrebend gebe ich nach. Mir ist dann ziemlich übel, aber – hat was! Wann habe ich das zum letzten Mal gemacht? Vor dreißig Jahren?? Oh oh … Wir bleiben eine ganze Weile und ziehen dann weiter zum „Wasserfall„. Ja, hier in Berlin haben wir einen eisigen Bach, der aus der Felswand stürzt, an großen Steinen vorbei bergab. Die Steine verlocken natürlich zum Springen, und wir fallen nicht mal rein! Todesmutig der abenteuergewohnte zehnjährige Held, der die tosenden Fluten überspringt. Die Mutter nimmt dann doch lieber die sichereren Steine weiter unten … an der Brücke machen wir uns wieder einmal auf Flusskrebssuche. Erst sehen wir nur einzelne rote Beine am Ufer (die Krähen schnappen sich diese Leckerbissen aus dem Wasser), dann sehen wir den ersten lebendigen, und es werden immer mehr! Einer hockt am Ufer, ein großen Viech, und als wir uns entzückt nähern, reckt er die Zangen hoch, wow, furchterregend! Der stahlharte Knabe, Naturbursche durch und durch, schnappt sich gekonnt einen Krebs, will ihn ja soo gerne mitnehmen als Haustier! Aber Mütter sind grausam: Nein. Das rote Tier wird wieder liebevoll ins Wasser gesetzt.
Langsam wird es Abend, das Septemberlicht ist unbeschreiblich. Die Leute werden weniger und wir sind oft völlig allein. Am Bach, im Wäldchen … ich halte Ausschau nach einem der Füchse, die wir hier schon gesichtet haben, aber heute zeigt sich keiner, nur ein Eichhörnchen mit Eichel im Mund. (Maul klingt mir zu grob für dieses Gesicht). Die Jugend hat noch gar keine Lust, nach Hause zu fahren, aber es ist bald sieben, und so verlassen wir schließlich müde und zufrieden den Park. Auch das gibt es in Berlin: Natur. Schön.