Mein erster „richtiger“ Arbeitstag hier – obwohl ich gestern natuerlich eifrigst damit beschaeftigt war, gute geschaeftliche Kontakte zu knûpfen. Man ist ja schliesslich zu jedem Opfer bereit, wenn es nur der guten Sache dient!
Nun, mein Wecker klingelt heute also um sechs, da wir gerade von Opfern reden. Aber mir wurde gestern mitgeteilt, dass die Râumlichkeiten um sieben ôffnen und man zum Aufbau frûh zu erscheinen habe! Okay. Im Fuehstuecksraum bin ich die Einzige, und nur mûhsam kann ich ein kleines Croissant runterwûrgen, und ich fuhle mich zombiemâssig. Die Zeit lâuft, die Konkurrenz schlâft nicht (tut sie doch, aber das ahne ich noch nicht), also nehme ich schliesslich ein Taxi; vor meinem geistigen Auge sind inzwischen alle strategisch wichtigen Plâtze weg, mein Tisch wird in einem dunklen Eckchen sein, keiner wird mich sehen, meine Reise wird sinnlos sein!! Der Taxifahrer vertut sich mehrfach, weil er den Namen des Hotels nicht verstanden hat, er kurvt bekûmmert durch die schmalen Strassen, wâhrend ich ihm zurufe: Nein, da lang, dort an der Ecke! Endlich: Ankunft im kuehlen Edelhotel; niemand da. Wirklich gar niemand.
Der gemuetliche Hotelangestellte, der mich erst erstaunt anspricht, was ich denn hier wolle, erweist sich dann als sehr nett und hilfreich. Er bringt mir auf eigene Kappe eine Tasse Tee und steckt mir spaeter noch zwei Brôtchen zu. Plus Marmelade und Butter!
Ich dekoriere alleine meinen Tisch, viel ist nun nicht zu tun. Einer vom Haus steckt noch weisse Rûschen an die Tische, „Rôckchen“ sage ich, und in der Tat heisst es so etwas auf Franzoesisch. Gemûtliche Plauderei. Aber muss das so frûh sein?
Lange Zeit spâter: Endlich kreuzt jemand auf! Kein Deutscher, aber immerhin die Verantwortlichen. Eine Stunde spaeter kriege ich auch mein kompliziertes Gestell mit den Symbolen, die ich vertrete. Und: Ich schaffe es sogar, ja, Frauen und Technik, es klappt, das Gestell steht prachtvoll hinter mir, gemeinsam mit dem Teil vom letzten Jahr! Noch kein anderer Deutscher in Sicht, aha, die Konkurrenz schlâft doch? Aber wie kann das sein? Um neun: offizieller Beginn, alle sind sie da – ausser ihm. Spâter soll ich erfahren, dass ihm gesagt wurde, es beginne um zehn … Viertel nach neun kreuzt er auf und sein Stand ist kûmmerlich, jawoll!
Es geht los und ich mache und arbeite und rede wie blôd, Stunde um Stunde. Mir wird irgendann ein Stûckchen Kuchen hingestellt, aber ich habe keine Zeit dafûr, auch nicht fûr den Saft, den ich gerne getrunken hâtte! Zwischendurch wird mir so schwummrig, dass ich nicht mehr weiss, ob ich Franzôsich oder Deutsch (oder Englisch?) rede. Ich lerne Menschen kennen und mein Franzôsisch sprudelt so, dass ich auch spaeter, nach der Veranstaltung, noch weiterblubbere, obwohl mein Gegenûber auch Deutsch versteht …
Um zwei nach Hause, ins Hotel; unterwegs Wahnvorstellungen von Kartoffeln und Karotten und Sosse … wieder komme ich an der kôstlichen Eisdiele vorbei, wieder ist mein Mittagessen kalt und sûss.
Kurzes Absinken auf dem Bett, bald darauf unterbrochen von einem Kunden, der sich im Hotel eingefunden hat. Kein Opfer … siehe oben; ich bleibe freundlich, ich regle das. Endlich frei, es ist vier Uhr nachmittags!
An der Rezeption hatte ich schon gestern gefragt, wo ich ein gutes Couscous bekommen kann. Heute gehe ich wagemutig zur Srassenbahn; ich werde das schon finden! Ich besorge mir fûr zwanzig Cent eine kleine Fahrkarte und warte brav auf den nâchsten Zug. Dabei werde ich mit „Bonjour, Madame Schroeder!“‚ begrûsst. Nanu? Der Mann von der Rezeption, der mir das Restaurant empfohlen hatte! Und er fâhrt sogar ein Stûck mit und kann mir noch den Weg zeigen! Dumm zwar, dass ich seine Handbewegung zu den Worten „die zweite Strasse links“ etwas falsch interpretiere und erst nach einem riesigen Gewaltmarsch und mehreren Umkreisungen das richtige Restaurant finde: Spezialitâten aus Sfax, Hausmannskost, schlicht, aber kôstlich. Ich geniesse endlich das wohlverdiente Couscous mit Lamm, Karotten, Kartoffeln, Zuccini und mehr. Es schmeckt wunderbar und ich liebe Tunesien! Ich lehne mich in meinem Stuhl zurueck, schliesse die Augen und freue mich dann ûber den starken Pfefferminztee, der mir vorgesetzt wird. Danke. So muss das sein; so ist es gut.