Archiv für März 2008

Idylle in der Hasenheide

Sonntag, 09. März 2008

Wenn es keine U-Bahn gibt, die einen durch die Gegend karrt, dann muss man sich schon mal aufs Radl schwingen und den eigenen Bezirk besuchen. Heute also in die Hasenheide.
Nein, es gab nicht Massen an Drogenverkäufern, die mich ansprangen. Dafür fußballspielende Kroaten (oder Serben?), plauschende türkische Familien, Eltern, Kinder in allen Farben. Ich folge einem Weg, der bergauf führt (wie jetzt, bergauf? In Berlin? Ah, ein Trümmerberg!) und gelange auf einen kleinen Berg. Wow! Blick nicht schlecht, genug Sitzgelegenheiten sind auch da, sodass ich mich in mein Buch vertiefen kann, während um mich das Publikum wechselt: Mal eine eher schmuddelige deutsche Familie mit riesigen Hunden und Alkoholfahne. Dann junge, schicke Leute, die sich wohl eher verirrt haben. Eine blonde Mutter mit ihrem farbigen Kind nebst Fahrrad, beide sehr munter. Im Hintergrund höre ich muslimische Gesänge von der Moschee, die über den ganzen Park schweben und in mir Erinnerungen an Tunesien wach werden lassen. Dann schrecke ich wieder von meinem Krimi auf, weil sich ein wunderlicher Typ in der Mitte dieses Platzes aufgebaut hat. Zu seinen Tai-Qi-ähnlichen Bewegungen stimmt er Bassgesänge an, die die meisten auf ihren Bänken zum Grinsen bringen. Er lässt sich nicht beirren und ich beneide ihn um dieses Selbstbewusstsein – Mann, wäre mir das peinlich, mitten auf dem Berg die Arme zum Himmel zu recken und Oooaaaa zu singen! Er bleibt cool und hebt unser aller Stimmung.
Schließlich breche ich wieder auf, Zeit, das Kind abzuholen. Aber einen kleinen Umweg mache ich noch, ich will doch mal sehen, woher die muslimischen Gesänge kamen. Und ich entdecke einen prächtigen, noch nicht ganz fertigen Bau direkt am Flughafen. Die Stimme wird lauter und ich neugieriger. Ein dicklicher Deutscher äfft den Gesang lautstark nach und kommt sich unheimlich witzig vor. Eine grimmig aussehene Frau mit blondem Stoppelhaar schreit ihren riesigen Hund an, er soll endlich kommen, sie wolle weg da! Dabei klingt ihr Aufschrei in meinen Ohren ziemlich rheinländisch. Vielleicht ein katholisches Aufbäumen gegen die akkustische muslimische Übermacht? Albern. Mir gefällts und ich fahre gut gelaunt weiter.

… und keiner geht hin

Samstag, 08. März 2008

Klar wird das ein richtiges Chaos, wenn am Montag auch noch die S-Bahn streikt. Keine U-Bahn, kein Bus, keine Tram und keine S-Bahn in Berlin? Ich habe ganz dreist beschlossen, dann zu Hause zu bleiben. Tage der Besinnlichkeit statt Hektik! Geld gibts dann natürlich nicht.
Trotzdem verlockend, dieser Ausnahmezustand. Wir werden sehen!

Ende der Freundlichkeit

Mittwoch, 05. März 2008

Hier in Neukölln gehts ums Überleben, ganz klar. Da kann auch kein Fahrradfahrer Rücksicht nehmen, auch nicht auf dem Bürgersteig, schließlich ist er ja in wichtiger Mission unterwegs und muss auch lichtlos durchgelassen werden. An diese Regel halte ich mich als Fußgängerin meistens – ist ja auch lästig, bei jedem Vorbeiraser die Stirn zu runzeln, auch wenn man vor Schreck am liebsten in einen Hauseingang springen würde. Der weiß schon, was er tut.
Neulich aber musste ich mich selbst auf mein Radl schwingen! Brav mit Licht und Umsicht zuckelte ich los. An lebensgefährlichen Stellen (Karl-Marx-Straße in der Nähe der S-Bahn) erlaubte ich mir auch, langsam über den Bürgersteig zu rollen, wo er breit genug war, schließlich wollte ich nicht von den Autos zermalmt werden! Beim Anblick einer älteren Frau drosselte ich brav mein Tempo auf Null, nur damit die keinen Schreck kriegte, bin ja ein netter Mensch. Bis dahin. Die keift mich prompt an, dass man ja wohl auch mit Licht fahren könne – reizend! Mein Licht war ja nur nicht sichtbar, weil ich ihretwegen stand! Gaaahh!!!
Da war ich dann nicht mehr nett. Blöde Kuh.

Positiv denken! Teil 4

Dienstag, 04. März 2008

Mit der Zeit merke ich dann aber doch, dass es ganz schön anstrengend ist, in allem etwas Positives zu suchen. Das besoffene Paar in der S-Bahn heute zum Beispiel hat einfach nur nach Bier gestunken, wo bitte ist da mein positives Erlebnis? Auch der BVG-Streik morgen ließe uns sicher alle wieder mehr zusammenrücken und an innere Werte denken – wenn wir nicht irgendwie irgendwohin kommen müssten und dann fluchend im Schneeregen stehen dürfen! Falls dann nächste Woche auch noch die S-Bahn streikt, werde ich aber doch etwas muffig. Dann könnt ihr das vergessen mit meinen guten Vorsätzen, und eine tote Taube ist dann auch nur noch eine blöde tote Taube, nicht mehr und nicht weniger!

Positiv denken! Teil 3

Dienstag, 04. März 2008

Und wieder einmal durfte ich Freitagabend in meine geliebte Ringbahn steigen, Frankfurter Allee, wie gehabt. Statt der üblichen Punks und Betrunkenen ein Pärchen, das sich eisern gegenüber saß und auf diese Weise zwei freie Fensterplätze hermetisch von der Welt abschirmte. Bis ich kam, da kenn ich ja nix … diese zwei waren das besondere Erlebnis für meinen positiven Feierabend. Ein Ausflug in die DDR der Siebzigerjahre! Toll, seine hellblaue Jack und der Haarschnitt. Ihre verkrampfte Art passte wunderbar zu den altmodischen Schuhen, dabei schätzte ich die zwei nicht älter als mich, also im besten Alter!!
Das Allerbeste aber waren ihre panischen Blicke auf das bunte Volk links und rechts und ihre Erleichterung, als sie endlich aussteigen durften, um ihre S-Bahn Richtung Heimat (Zug Richtung Schönefeld) zu nehmen. Toll, so eine Zeitreise so ganz ohne Vorwarnung. Danke, liebe Leute aus der Fremde. Auch danke, dass ihr mir erlaubt habt, mich an euch vorbeizuzwängen, auch wenn es euch schwerfiel.

Positiv denken! Teil 2

Dienstag, 04. März 2008

Ich wollte gerade in die U9 am Zoo einsteigen, als dieses dicke Muttchen mit dem Gehwagen auf mich zu rollte und ich schnell den Eingang zur U-Bahn freigab. Ist es nicht ein schönes Gefühl, andere zu respektieren und in all dieser Großstadthektik noch etwas Menschlichkeit zu zeigen? Ich tat also mir selbst etwas Gutes, indem ich sie vorließ. Dachte ich zunächst. Dumm nur, dass sie dann beschloss, mit ihrem Wägelchen die kompletten Mittelgang zu blockieren und sich bruddelnd so hinzusetzen, dass kein anderer mehr vorbeikam. Ich kletterte dann mühsam über das Teil zu einem freien Platz, denn Stehplatz gab es auch kaum noch, durch diesen Stau. Beim Aussteigen nahm ich dann wohlweislich die andere Tür und hörte noch im Rausgehen, wie sie Leute anschnauzte, mal solle sie gefälligst durchlassen, so ginge es ja nicht, sie bräuchte mehr Platz. Reizend. Dass es auch Wagen gibt, in denen sie gut parken kann, hat ihr wohl noch niemand verraten.