Mittwoch, 03. November 2010 19:41
Je schwieriger die Fahrt, desto solidarischer werden die Fahrgäste! Nehmen wir mal letzte Woche: Warum muss dieser Typ mit seinen Begleitern dermaßen laut quatschen, dass allen anderen der Kopf brummt? Sicher, er redet in einer unverständlichen, vermutlich südeuropäischen Sprache und wir müssen uns über den Inhalt keine Gedanken machen. Und doch. Die Fahrt wird zur Qual und eine Frau (Typ gemütliche Hausfrau) bittet dann doch um etwas Ruhe, was den Lautschwätzer zu mehr Geschrei animiert, bis er und seine seltsame Begleitung endlich irgendwann die U-Bahn verlassen. Und wir? Erleichterung, Verschwesterung, kleine Schwätzchen über die Leiden der Berliner Benutzer öffentlicher Verkehrsmittel kommen in Gang. Am Ende verabschiedet man sich, wünscht sich ein schönes Wochenende … wie nett! Danke, Herr Brüllaffe!
Oder diese Woche: Man kann nicht mehr mit der S-Bahn von Baumschulenweg nach Neukölln fahren. Kabelbrand. Die unglücklichen Passagiere werden in andere S-Bahnen gelenkt, in volle Ersatzbusse gestopft, irgendwo stehen gelassen, rausgeschmissen, man wird durchgeschüttelt, Ansagen sind verwirrend, unzutreffend („Bitte alle aussteigen, der Zug endet hier“ – ha, ha, alle bleiben wohlweißlich sitzen), es ist zeitweise so eng, dass man nicht mehr atmen kann, und ich komme 40 Minuten später als geplant zur Arbeit … und doch bleibt das Volk ruhig. Schweigend hängen wir in den Seilen, nur ein paar kleine Witzchen werden gerissen, ein bisschen Unmut geäußert, das wars auch schon. Als ich aus dem Chaos wieder in die normale U-Bahn umsteige, herrscht wieder das übliche eisige Schweigen, nichts mehr vom geteilten Leid, das ich gerade noch spüren konnte. Mehr Chaos braucht die Stadt! Dann haben wir uns plötzlich ganz doll lieb.