Angst. In der U-Bahn?

Mittwoch, 23. Januar 2008 20:57

Es gibt schon unglaublich mutige Menschen. Politikerinnen zum Beispiel, die, um sich und der Welt irgendwas zu beweisen, nachts mit der U-Bahn fahren! Natürlich nicht allein versteht sich, sondern wohl behütet von mehreren Leibwächtern und in Begleitung eines Journalisten, die für eine Zeitung mit großen Buchstaben auf Achse sind. Toll. Muss echt der Horrortrip gewesen sein, denn selbst der Journalist war hinterher froh, die Beschützer dabei gehabt zu haben. Ach ja? War das vielleicht ein anderes Berlin, in einem Paralleluniversum vielleicht?
Ich sehe mich mal kritisch in meiner U7 um. Es ist Abend. Sicher werden mich gleich grimmige Neuköllner Horden anspringen und in den Dschungel zerren. In der Tat fehlen zu der Zeit, da ich mich dieser unglaublichen Mutprobe unterziehe, die typischen Angestelltenmassen, die mit stumpfem Blick ihrer Tagesbeschäftigung entgegenzuckeln. Stattdessen steigen mit mir 1. vier türkische Ommis/Mammis ein und
2. eine afrikanische Mutter mit ihren zwei kleinen, dunkelhäutigen Jungs. Na wenn das nicht zum Fürchten ist! Ansonsten ist der Wagen so gut wie leer. Annäherung der Gruppen: Die eine Ommi (dick, bekopftucht, breitbeinig) sagt zu dem einen kleinen Jungen, wie süß er sei, er solle doch mal herkommen. Worte fliegen hin und her, die Mutter grinst, der Junge geht rüber und wird (verlegen lächelnd, man ist ja Kummer gewöhnt) auf beiden Wangen abgeknutscht, dann umarmt, und bekommt dafür Bonbons. Der andere Junge hebt schüchtern den Blick und bekommt auch einen Bonbon. Die Ommi meint aber streng: „Du nicht küssen, du nicht Bonbon, du erst küssen!“ Worauf der sich noch enger an seine Mutter drückt. Na das nenn ich doch mal Horror pur! Da muss man sich auch noch abknutschen lassen, um einen schäbigen Bonbon abzugreifen! Da hätte sich mein Kind aber bedankt … ich muss grinsen und bin nicht die Einzige im Wagen. Die richtige Angst kommt irgendwie nicht auf.
Wie sonst auch nicht.

dauergewellt

Donnerstag, 17. Januar 2008 18:47

In meiner Ringbahn sehe ich mich täglich um, man kann ja nie wissen, was für Inspirationsquellen einem sonst entgehen würden. Es gibt zum Beispiel interessante Frisuren, zu Berge stehende Haare, seltsam gefärbte Stoppel, gesträhnte Mähnen und und … oft einfach witzige Ausdrücke dessen, was die Menschen so darstellen wollen. Was ich aber gestern gesehen habe, fand ich gruslig: Die absolut perfekte Frisur. Jede einzelne künstliche Locke türmte sich akurat neben der nächsten, alle Abtönungen stimmten gnadenlos, hellere neben dunkleren Strähnen, das Ganze ein grimmiger Helm, den man sich vielleicht zu Fasching überstülpen würde, blond, bieder, brav. Dauerwelle Marke „Die Sechziger lassen grüßen.“ Mir wurde ganz mulmig beim Betrachten, zumal die Besitzerin des Helms nicht alt war, vielleicht dreißig. Was mag in ihr vorgehen? Die perfekte Sekretärin braucht den perfekten Helm als Schutz gegen die böse Welt? Oder hatte sie schon früh von Mama gelernt, dass man ab einem bestimmten Alter (29?) erstarren muss? Die Arme. Ich jedenfalls konnte meine Augen nicht abwenden … da spart man sich schon die Fahrt mit der Geisterbahn!

Beschwerdebrief

Dienstag, 15. Januar 2008 20:43

Vielleicht hätte ich ihn doch nicht schreiben sollen?
Aber mal ehrlich. Wenn ich in einen Bus steige, möchte ich einfach nur transportiert werden und nicht den Zigarettenqualm des wartenden Busfahrers inhalieren!
Und doch. Vielleicht schmeißen sie ihn jetzt raus? Rauchen im Bus strengstens verboten, selbst für den Busfahrer, für den der Bus ja im Grunde eine zweite Heimat geworden ist. Weib und Kind zu Hause, schlägt er sich wacker Tag für Tag mit bescheuerten Fahrgästen rum. Und um sich zu entspannen, hat der gute Mann sich nun an diesem Wintertag einmal die Zigarette gegeben. Dumm nur, dass da diese überempfindliche Nichtraucherin mitfahren musste!
Wütende Busfahrer lauern Fahrgast auf – Beschwerdebrief hatte zur Entlassung geführt! Oder so.
Und trotzdem. Es hat so schlimm gestunken, dass ich nach zehn Minuten Fahrtzeit immer noch hätte k… können. Muss ich mir das antun?
Hm.
Vielleicht sollte ich doch noch mit dem Rauchen anfangen. Einfach aus Solidarität mit einer verfolgten Minderheit und um den Geruch besser ertragen zu können.

S-Bahn-Stimmung Montag

Montag, 14. Januar 2008 23:25

Montagmorgen, kurz vor acht: Da hab ich mich mühsam in die Ringbahn gequält, hundemüde wie alle um mich rum, bleiche Gesichter und Ringe unter den Augen: alle. Ab Hermannstraße immerhin ein Sitzplatz, auf den ich die morschen Knochen sinken lassen kann. Wieso muss man Montag überhaupt raus? Wieso kann ich nicht dringend verhindert sein oder sonstwas? Nicht verfügbar? Na jedenfalls: Montagmorgen. Und dann das. Die neben mir, sie steht im Gang und lauert noch auf einen Sitzplatz. Und um schon die passende ungemütliche Stimmung zu verbreiten und eventuelle Opfer zu vertreiben, liest sie ihre blöde Zeitung auf eine Art, die jeden wahnsinnig machen muss. Hektisch reißt sie die nächste Seite um, und wieder, und wieder! Das ist keine Lesen, das ist Terror pur. Außerdem hängen die Blätter regelrecht auf meinem Kopf, muss das denn sein, hat die denn kein anständiges Buch zu Hause, das sie mitschleppen könnte? Im Geiste springe ich in bester Montagslaune auf, reiße ihr die Zeitung aus der Hand, zerfetze sie, die Zeitung meine ich, brülle ihr ins Gesicht, schmeiße kleine Zeitungsbälle durchs Abteil, auch andere machen mit, die Stimmung wird immer besser, mir gehts guuuut!
In Wirklichkeit aber findet sie einen Sitzplatz und belästigt jetzt ihre Sitznachbarn. Ich schließe verzweifelt die Augen. Montagmorgen.
Montagabend: Besser. Der Tag ist geschafft, es ist zehn Uhr, und ich darf endlich heim zu meinen Lieben! Ein Türke ruft in sein Handy und ich amüsiere mich. „Isch bin Südkreuz! Isch bin Südkreuz!“ Wow, hat irgendwie was Christliches, finde ich. Aber warum sagt er das so deutlich und immer und immer wieder? Plötzlich höre ich eine Kinderstimme am anderen Ende, ach so! Er ist also stolzer Papa. Sie solle nicht so laut brüllen, meint er. Und „Sagst du Ane isch bin Tempelhof, isch bin Tempelhof!“ Die Kinderstimme jetzt ganz laut, und ich grinse ihn verständnisvoll an. Er grinst verlegen zurück. Stimmung: Gut. Isch bin fast Neukölln!

Nächtliches Neukölln

Sonntag, 13. Januar 2008 23:37

Ich glaube wirklich, dass der einsame Wanderer und auch eine schüchterne Wanderin nachts hier sicherer ist als in so manchem biederen süddeutschen Städtchen, wo sich „anständige Leute“ nachts eben nicht mehr rumtreiben. Hier ist alles normal, hier dürfen auch Kinder noch um Mitternacht die Karl-Marx-Straße erkunden und jeder ist im Grunde froh, nicht blöd angelabert zu werden. Auch die Mitglieder der Jugendgang, die ich vorhin bewundern durfte. Die ziehen halt noch ne Runde um den Block! Und ich gehe gemütlich meiner Wege, ohne Angst.
(Vielleicht kann ich in Zukunft doch Maschinenpistole, Sonnenbrille und Perücke zu Hause lassen?)

Duftbelästigung

Sonntag, 06. Januar 2008 15:06

Dass manche Düfte für die Mitmenschen nicht angenehm sind, ist bekannt. Da sollte der Herr mit den Verdauungsproblemen eben lieber eine Zeit lang die Bahn verlassen, bevor alle Mitfahrer mit grünen Gesichtern dasitzen. Der ehrlich erworbene Schweiß eines Arbeiters gehört ebenso zum Alltag einer zartbenasten BVG-Benutzerin wie die Rauchwolke, die der hastige Raucher vom Bahnsteig mit reinspült. Alles normal. Was mir aber immer wieder zu schaffen macht sind die „wohlgemeinten“ Düfte, von denen der Spender auch noch glaubt, sie gefielen dem Mitmenschen! Von Parfüms hatte ich schon erzählt; bevorzugt männliche Jugendliche in Neukölln sind manchmal ganz versessen darauf, ihrer Umwelt ihre aktuelle Duftmarke mitzuteilen. Auch heftiger Pfefferminzgeruch kann einem echt den Atem nehmen, wenn auch nicht so mörderisch wie der Knofiteller von vor zehn Minuten. Aber wirklich unangenehm fand ich letzte Woche im Zug die Handcreme einer älteren Dame, die sich damit einschmierte und mich währenddessen erwartungsvoll anstrahlte. Grässlich!
Vielleicht sollte ich öfter mit Wäscheklammer auf der Nase rumlaufen. Oder mir ein Schild um den Hals hängen: Verdufte!